Das Urteil befriedigt und enttäuscht gleichermaßen:
Es enttäuscht dahingehend, dass das Gericht die Anwendbarkeit des §184 b Abs. 5 StGB auf Abgeordnete offensichtlich ganz generell ausschließen will – und schon von daher auch kein Freispruch mehr möglich war: Mitglieder des Deutschen Bundestages sollen gegenüber den Informationen der Bundesregierung allein auf das parlamentarische Fragerecht beschränkt sein.
Es befriedigt jedoch dahingehend, als es Jörg Tauss in der Folge dann zwar eine schon in rechtlicher Hinsicht lediglich privat und somit als strafbar zu wertende Neugier unterstellt – aber ausdrücklich eben kein irgendwie geartetes persönliches, sexuelles Interesse an der Verschaffung oder dem Besitz kinderpornographischen Materials festgestellt hat. Diesbezüglich anderslautende Meldungen sind falsch, wie sich auch aus der offiziellen Pressemitteilung des Gerichts ergibt.
Enttäuschend sind wiederum die Ausführungen des Gerichtes, dass nach Meinung der Kammer ein Prominenter die verfehlte Öffentlichkeitsarbeit einer Staatsanwaltschaft hinzunehmen habe, selbst wenn sie zu seiner Vorverurteilung führt.
Insbesondere deswegen und wegen der schon in staatsrechtlicher Hinsicht bedenklichen Ausführungen des Gerichtes prüft die Verteidigung Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.
Karlsruhe, den 28.05.2010
Lieber Herr Mönikes,
zunächst vielen Dank dafür, dass Sie versucht haben einer fehlgeleiteten Staatsanwaltschaft Paroli zu bieten. Ich muss gestehen, dass ich die Stellungnahme bei weitem nicht so diplomatisch hätte formulieren können wie sie. Was in der Urteilsbegründung über das offensive Vorgehen der Staatsanwaltschaft gesagt wurde, verdreht nicht nur Aktion und Reaktion, sondern mir zum Teil auch den Magen, verzeihen Sie den Ausdruck. Besonders perfide (wiederum bitte ich um Verzeihung) finde ich es außerdem, dass Jörg Tauss vorgeworfen wurde, seine angeblichen Recherchen nicht in die Diskussion um das Zugangserschwerungsgesetz einfließen haben zu lassen. Angesichts der Tatsache, dass in der heißesten Phase der Debatte um dieses Gesetz im Jahr 2009 die Staatsanwaltschaft nicht nur bereits öffentlich gegen Herrn Tauss vorging, sondern die mediale Aufbereitung der Vorwürfe entscheidend dazu beitrug, der SPD-Bundestagsfraktion die Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf schmackhaft zu machen (oder eher abzunötigen), halte ich das für geschmacklos.
Die Lösung des Gerichts, ein sexuelles Interesse von Herrn Tauss an dem inkriminierenden Material ebenso wie ein Rechercheinteresse zu verneinen, und statt dessen ein anders geartetes privates Interesse zu postulieren , halte ich für ziemlich windig. Bloße Neugier ist sicher der unwahrscheinlichste aller vorstellbaren Motive.
Ich kenne natürlich weniger Details als Sie, aber die Tatsache, dass der Zeuge Sascha H. – ohne dass er dadurch einen Vorteil hätte erlangen können – bestätigt hat, dass er einen Zugang zu Produktionsstätten angeboten hat, stützt in meinen Augen Herrn Tauss‘ Darstellung ganz erheblich. Schließlich lässt dass sehr stark, darauf schließen, dass Jörg Tauss ihn danach gefragt hat, und das wiederum ist konsistent mit der Behauptung einer Recherche, aber angesichts der vergleichsweise winzigen Menge des gefundenen Materials nicht mit einem privaten Gebrauch der bei ihm gefundenen Bilder.
Bitte teilen Sie mir mit, ob ich Ihr weiteres Vorgehen irgendwie unterstützen kann.
Mit freundlichen Grüßen,
Bernhard Müller
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