Die Verlegerverbände BDZV und VDZ haben anlässlich des Mediendisputs des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher ein Papier mit 19 „Kernpunkten des Verlegervorschlags zum Leistungsschutzrecht“ (LSR) verbreitet. Da sie dieses Papier, das hier vollständig in kursiver Schrift dokumentiert wird, auch noch aktuell im politischen Raum zur Werbung für ihre Forderung nutzen, werden hier den einzelnen PRO-Argumenten der Verleger die wichtigsten CONTRA-Argumente der Kritiker gegenübergestellt. Da die Verleger selbst in wichtigen Punkten ihrer Forderung auch in diesem Positionspapier weiterhin bewusst unscharf bleiben, soll die zugespitze Kommentierung zugleich zu einer Klärung der wichtigsten offenen Fragen für die weitere politische Debatte beitragen. Für sachliche Hinweise und Ergänzungen zur Weiterentwicklung des Textes ist der Autor daher dankbar.
1. Urheberrechtliche Begründung: Schließung einer Regelungslücke. Anders als noch vor zwanzig Jahren ist es in der digitalen Welt unabdingbar, den Presseverlegern ein Leistungsschutzrecht an ihren Presseerzeugnissen zuzugestehen. Ein solches Recht ist etwas Normales im Urheberrecht, was die Leistungsschutzrechte für Sendeunternehmen, Tonträgerhersteller, Konzertveranstalter und andere Werkmittler belegen.
Falsch: Urheberrechtlich besteht keine Notwendigkeit für ein Leistungsschutzrecht. Das Urheberrecht wurde gerade für die Regelung der (ökonomischen) Rechtsbeziehungen zwischen Autoren, Verlegern, Lesern und Nutzern geschaffen. Beim Urheberrecht handelt es sich somit um den „Normalfall“, der in mehreren Novellierungen bereits an das neue, digitale Zeitalter angepasst wurde. Leistungsschutzrechte dagegen wurden zur Regelung von „Ausnahmefällen“ geschaffen, die erst nach den Urheberrechten aufgetreten sind (Filme, Schallplatten und Rundfunk oder auch die Möglichkeit, als Besucher Konzerte aufzuzeichnen, sind historisch viel spätere Phänomene als Bücher und Zeitungen). Das die Verleger anders als die Urheber keine Eigentumsrechte durch die Werkmittlung vermittelt bekommen, ist somit kein Versehen im Sinne einer unerkannten Regelungslücke, sondern eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die auch im digitalen Zeitalter voll zum Tragen kommt.
2. Wirtschaftliche Begründung: Schutz des geistigen Eigentums von Verlagen im Zeitalter der Digitalisierung. Sicherung des Fortbestands einer vielfältigen freien Presse auch im Internet.
Falsch: Wirtschaftlich besteht zwar ein individuelles, jedoch kein allgemeinnütziges Interesse an einem Leistungsschutzrecht. Das geistige Eigentum ist dank bereits erfolgter Gesetzesänderungen der vergangenen Jahre auch im Zeitalter der Digitalisierung längst hinreichend geschützt. Die juristischen Möglichkeiten zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte geht sogar weiter, als bei fundamentalen Grundrechten wie dem Persönlichkeitsrecht. Soweit Autoren und Verlage Urheber- oder Nutzungsrechte gelten machen können, mangelt es daher nicht am Recht, sondern an seiner Durchsetzung im Internet im Falle eines Missbrauchs. Auch der Tonträgerindustrie, dessen Leistungsschutzrecht sich die Verleger zum Vorbild nehmen, nützt ihr Leistungsschutzrecht wenig, wenn massenhaft Raubkopien von Musik im Internet verteilt werden. Vielfalt und Freiheit der Presse wird daher am besten dadurch gesichert, dass sie sich erfolgreich dem fairen Wettbewerb stellt, möglichst viele Menschen zur Zahlung angemessener Gebühren animiert und Missbräuche konsequent bekämpft. Nicht aber, indem für sie ein nationalstaatlicher Schutzraum durch den Gesetzgeber geschaffen wird.
3. Notwendigkeit: Mit zunehmender Digitalisierung der Presse werden Rechte am geistigen Eigentum zum zentralen Erfolgsfaktor. Verlage besitzen heute kein Eigentumsrecht an den Früchten ihrer Arbeit. Das stellt einen erheblichen Wettbewerbsnachteil auf den digitalen Märkten der Gegenwart und Zukunft dar.
Falsch: Außer den Verlagen selbst sieht niemand bislang die Notwendigkeit für ein Leistungsschutzrecht. Natürlich sind geistige Schutzrechte zentrale Erfolgsfaktoren digitaler Wirtschaft. Deshalb steht den journalistischen Autoren als Schöpfern geistiger Leistungen heute allein das stärkste Recht, das Eigentumsrecht zu. Gegen Entgelt können sie den Verlegern (einen Teil) ihrer Nutzungsrechte einräumen. Indem Presseverlagen numehr aber ein eigenes Eigentumsrecht für die bloße Werkmittlung beanspruchen, können sie über fremde geistige Werke wie Eigentum verfügen. Die Position des Urhebers bei der Aushandlung fairer Preise im digitalen Zeitalter würde geschwächt. Das wissen auch die Journalisten und verlangen daher einen 50% Anteil an den von den Verlegern erwünschten LSR-Einnahmen zum Ausgleich. Einen Wettbewerbsnachteil stellt das Fehlen eines Leistungsschutzrechtes zudem auch international nicht dar: In der von den Verlegern geforderten Form gibt es dieses Recht auf der ganzen Welt nicht.
4. Autoren: Das Urheberrecht der Autoren bleibt vom Leistungsschutzrecht für Presseverleger unberührt. Beide Rechte stehen wie in allen anderen kreativen Branchen trennscharf nebeneinander. Autoren erleiden keinerlei Nachteile. Sie werden an den Erträgen des Leistungsschutzrechts beteiligt. Sie können ihre eigenen Autorenrechte wie bisher beliebig verwerten.
Falsch: Die wirtschaftliche Position der Autoren verschlechtert sich. Das Eigentumsrecht der Verlage überlagert das Urheberrecht der Autoren: Verleger könnten aufgrund der (erstmaligen) digitalen Werkvermittlung neue Verwertungsmodelle erschließen, ohne dafür nachträgliche Vereinbarungen mit den Autoren schließen und diese dafür bezahlen zu müssen. Eine Vielzahl von Autoren erhoffen sich, durch die Beteiligung an Einnahmen aus dem LSR diese Schlechterstellung auszugleichen. Sie sind hier jedoch schlecht beraten, da die Perspektiven dieser Einnahmen völlig offen sind, die rechtliche Benachteiligung jedoch dauerhaft. Erfolgreiche (freie) Autoren weigern sich daher bislang, ihre Rechte pauschal für geringe Entgelte an die Verleger abzugeben (sog. „Total Buyout“-Verträge). Während sich durch ein LSR für angestellte Journalisten wenig ändert, ist dieses gerade für freie Autoren problematisch. Daher lehnen die „Freischreiber“, der Verband freier Journalisten, die Pläne eines LSR auch vehement ab.
5. Geschäftsmodelle: Das Leistungsschutzrecht baut keine Schutzzone für alte Geschäftsmodelle auf. Es schafft nur den Rechtsrahmen für neue Geschäftsmodelle. Solche Geschäftsmodelle zu entwickeln, ist allein Aufgabe der Verlage. Sie stellen sich dem digitalen Wandel und gestalten ihre Zukunft aus eigener Kraft.
Falsch: Das LSR soll eine Schutzzone um die heutige Verlagslandschaft errichten und ihre „Online-Gratiszeitungen“ subventionieren. Der Medienmarkt ist im Internet heute wesentlich dynamischer und vielfältiger als der Markt „klassischer“ Medien. Dort sind es eben nicht „allein“ die Verlage, deren Aufgabe es wäre, neue Geschäftsmodelle mit den urheberrechtlich geschützten Inhalten von Autoren zu schaffen. Zudem stellen sich einige Verlage diesem Wandel mit großem Erfolg. Traditionelle Anzeigeneinnahmen der Pressemedien, z.B, im Bereich von Immobilien und Partneranzeigen, wurden in Tochterunternehmen ausgelagert und tragen heute schon ein Vielfaches zu den Einnahmen bei. Zugleich wollen Verleger aber mit dem LSR die wirtschaftlichen Vorteile ihrer „Gratis-Zeitungen“ erhalten (Reichweite, Werbeeinnahmen etc.) sowie ihre gewerblichen Leser mit staatlicher Hilfe zu Zahlungen zwingen. Im Ergebnis wird eine zusätzliche neue Einnahmenquelle angestrebt, die im Widerspruch zum marktwirtschaftlichen Prinzip und Erfolge der sonstigen Aktivitäten der Verlage stehen.
6. Anknüpfungspunkt: Das Leistungsschutzrecht sollte an die konkrete Ausgestaltung der Verlagsleistung anknüpfen. Das ist mit dem Presseerzeugnis die jeweilige gedruckte oder digitale Publikation, keinesfalls aber Texte oder Bilder losgelöst von der konkreten Verwendung im Presseerzeugnis.
Falsch: Wie beim Leistungsschutzrecht des Tonträgers auch, können auch „wesentliche“ Teile eines Werkes vom LSR umfasst sein. Während im Printbereich das konkrete Layout z.B. einer Zeitung Schutzgegenstand des LSR sein soll, soll es Online nach Vorstellung der Verleger die gesamte Website sein, also jedes Wort. Anknüpfungspunkt soll der HTML-Quellcode in Verbindung mit der Marke und den Links einer Seite sein. Da der Quellcode einer Internetseite weitgehend aus nicht schutzfähigen programmtechnischen Informationen besteht, die von der Redaktionssoftware generiert werden (z.B. WordPress), müssen auch „wesentliche“ Teile vom Schutz selbstständig umfasst sein, soll das LSR nicht leerlaufen. Bei Online-Presse sind „wesentliche“ Teile aber eben die vom Verleger verbreiteten Inhalte, die in den HTML-Codes einer Seite eingefasst sind, vulgo die Texte selbst. Selbst Überschriften wie „Wir sind Papst“ oder „Ätschividertschi“ oder auch der bislang ungeschützte Text einer tagesaktuellen Nachricht können damit am Schutz des LSR teilnehmen und dem Verleger Eigentumsrechte vermitteln. Werden sie von Dritten „konkret“, also wie in dem ursprünglichen Online-Presseerzeugnis auch schon verwendet, sprich ihrerseits wieder in HTML-Code eingetragen, können diese Eigentumsrechte sehr wohl berührt sein.
7. Zitatrecht: Zitieren bleibt weiter frei und kostenlos.
Stimmt! Aber nur teilweise: Zitieren ist die Einbindung fremder, urheberrechtlich geschützter Inhalte in eigene Werke in einer Weise, die ihrerseits urheberrechtlichen Schutz zu genießen vermag. Im Internet gelten auch „Snipits“, kleine Textauszüge, wie sie von Google für die Online-Suche aufbereitet werden, bislang als zulässig. Die Verleger fordern, dass genau auch solche Formen der Nutzung Genehmigungs- und Lizenzpflichtig werden. Das LSR würde dann weit über den Schutz des Urhebers hinausgehen.
8. Links: Links bleiben weiter frei und kostenlos.
Stimmt! Aber nur teilweise: Heute schon trägt nach den Grundsätzen der Störerhaftung der Verbreiter von Links, die auf rechtswidrige Angebote verweisen, eigene rechtliche Verantwortung und hat dieses ggfs. strafbewehrt zu unterlassen. Bezogen auf das LSR, dass nur in Deutschland gilt, könnten die Presseverleger künftig erfolgreich gegen Seitenbetreiber vorgehen, die auf ihren Seiten auf Angebote verlinken, die z.B. im Ausland unter Missachtung des LSR Zugang zu Inhalten gewähren. Insofern wären Links künftig nicht mehr „frei“.
9. Privatkopie: Privates Kopieren bleibt weiter frei und wird wie bislang durch die entsprechenden Abgaben vergütet. Die Verleger schlagen hierzu keine Änderung vor.
Stimmt! Aber nur teilweise: Die Rechtmäßigkeit der Kopiervergütung ist europarechtlich umstritten. Mit der LSR entfällt die Begründung der Abgabe zumindest bezüglich solcher Geräte, die im gewerblichen Rahmen genutzt werden, wenigstens bezüglich des Anteils, der bislang an die Verleger abgeführt wird. Zudem wird bei der geplanten Trennung zwischen kostenloser privater und lizenzpflichtiger beruflicher Nutzung fraglich, was künftig wann als „Privat“ zu gelten hat: Ist die Nutzung von Online-Inhalten am Arbeitsplatz auch dann „gewerblich“ und damit LSR-Abgabepflichtig, wenn es lediglich aus privatem Interesse geschieht. Und zählt eine Nutzung im „Home Office“ als privat, obwohl sie dienstlich motiviert ist?
10. Lesen: Das Lesen bleibt weiter frei und kostenlos.
Stimmt! Aber nur teilweise: Der Vorgang des Lesens selbst soll frei und kostenlos bleiben. Der dem Lesen am Bildschirm notwendigerweise vorangehende technische Vorgang zur Darstellung der Webseiten jedoch ist ein (flüchtiger) Vorgang der Vervielfältigung, dem durch das Leistungsschutzrecht künftig eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Das bisherige urheberrechtliche Privileg des § 44a UrhG könnte dann zu Lasten der LSR-verpflichteten Nutzer entfallen. Das Lesen selbst bliebe so zwar frei und kostenlos, die dafür nötige Bildschirmdarstellung jedoch wäre es nicht mehr. Da hierin die eigentlich wirtschaftlich wichtigste Bedeutung des LSR liegt, verweigern die Verleger bislang auch konsequent jegliche Erklärung, welchen wirtschaftlichen Wert ihre Forderung noch haben soll, falls Bildschirmdarstellungen nicht lizenzpflichtig würden. Letztlich kann diese Frage aber auch offenbleiben, wenn die Verleger pauschale LSR-Gebühren erzwingen können, die jegliche Form der „Nutzung“ abdeckt.
11. Sprache: Die Sprache bleibt frei. Sie wird nicht monopolisiert.
Stimmt! Aber schon „wesentliche“ Teile von LSR-geschützten Texten werden künftig jedoch lizenzpflichtig. Je nachdem, was die Gerichte schließlich als „wesentlich“ ansehen, können damit auch schon kurze Texte oder Begriffe vom LSR erfasst und damit in ihrer (kostenfreien) Nutzung beschränkbar werden.
12. Gewerbliche Nutzung: Wer gesetzlich geschützte Werke gewerblich vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich macht, muss die Zustimmung des Urhebers und Leistungsschutzberechtigten einholen. Das ist mit Blick auf die Urheber heutige Rechtslage.
Stimmt! Daher würde das LSR auch wirtschaftlich für die Verleger keinen Sinn machen, wenn es gegenüber dem Urheberrecht nicht ein „mehr“ bedeuten würde. Ein rechtliches „Mehr“ für die Verleger muss für irgend einen Anderen jedoch ein „Weniger“ an Rechtsposition bedeuten: Tatsächlich könnten Verleger die Texte der Urhebern im Verlagserzeugnis künftig als Eigentum behandeln betrachten. Eine „rechtliche Schutzlücke“ wird damit nicht geschlossen, sondern vielmehr die bestehende Balance im Gefüge zwischen Urheber und Verlag beeinträchtigt.
13. Keine Bürokratie: Wer Verlagsangebote im Internet zu gewerblichen Zwecken vervielfältigt, soll die Zustimmung der Verlage so schnell und unbürokratisch wie möglich einholen können. Deswegen wollen die Verlage eine zentrale Stelle für das Gesamtangebot der Verlage schaffen.
Falsch: Die „zentrale Stelle“ dient nicht dem Bürokratieabbau, sondern vorrangig dazu, die Marktmacht der Verleger zu bündeln und so Einheitspreise durchzusetzen, die sie im Wettbewerb nicht erzielen könnten. Für den Fall, dass das LSR Unternehmen mit über 20 Millionen PC-Arbeitsplätze in Deutschland zu Zahlungen verpflichtet, wäre eine Verwertungsgesellschaft in der Tat aus Gründen der Bürokratie unvermeidlich. Gleichwohl wäre ein erheblicher bürokratischer Aufwand die Folge. Zugleich würde ein Systemwechsel im Presseverlagswesen einhergehen, dem auch dem Trend zu „Paid Content“ für individuelle Verlagsangebote widerspricht: Schon heute schon sind einige Verlage sehr erfolgreich beim Verkauf ihrer Online-Angebote. Die „Apps“ von „BILD“ tragen inzwischen einen nicht unerheblichen Anteil an den Online-Erlösen des Verlages bei. Indem solche Angebote künftig „unbürokratisch“ nur noch im Paket mit dem „Gesamtangebot der Verlage“ angeboten würden, wären die Nutzer gezwungen, auch für Inhalte zu bezahlen, die für sie unattraktiv sind. Durch einheitlichen Tarife der Verwertungsgesellschaft würde aber auch sonst der Preiswettbewerb im Medienmarkt ausgeschaltet. Selbst dann, wenn es möglich bliebe, lediglich die Angebote lizensieren zu müssen, an denen man wirklich Interesse hat.
14. Abschlusspflicht: Die Verlage verpflichten sich, mit jedem gewerblichen Nutzer ihrer Internet-Angebote, der dies wünscht, einen Nutzungsvertrag abzuschließen.
Darauf kommt es gar nicht an! Fraglich ist doch, wie der gewerbliche Nutzer künftig die tatsächliche Entscheidung trifft, ob er überhaupt die Angebote nutzen will oder ob er nicht faktisch dazu gezwungen wird – selbst wenn er unter normalen Bedingungen kein Interesse an dem Angebot hat und daher auch nicht zum Vertragsschluss bereit wäre. Notwendig wären möglicherweise aufwändige Internetsperren auf freie zugängliche Internetseiten, die das Unternehmen installieren müsste. Ohne solche technischen Schutzmaßnahmen kann sich das LSR für die betroffenen Unternehmen ansonsten als „Abofalle“ erweisen, was die betroffene Wirtschaft kaum akzeptieren kann. Konsequenterweise setzen sich Verleger und die Journalistengewerkschaften daher für „Stopp-Schilder“ im Internet ein.
15. Faire Bedingungen: Die Bedingungen für die gewerbliche Nutzung von Internet-Angeboten werden fair und transparent sein.
Nur teilweise richtig: Tarife von Verwertungsgesellschaften stehen unter staatlicher Aufsicht. Bei Beseitigung der Vertragsfreiheit ist jedoch auch ein transparenter Tarif niemals „fair“, da er nicht marktmäßig gebildet wurde. Sobald der Staat Tarife zwischen Marktteilnehmer festschreibt, greift er regulierend ein und setzt Gewinne und Verluste für die Verpflichteten fest. Dieses kann auch in der Marktwirtschaft geboten sein, soweit damit ein Marktversagen beseitigt wird. Ein solches Versagen der Märkte ist jedoch im Online-Pressebereich weder ernsthaft behauptet, noch erkennbar oder gar nachgewiesen.
16. Freiwilligkeit: Die Verlage bekennen sich zum Prinzip der Freiwilligkeit. Keine Zwangsabgaben, keine GEZ. Wer die Internet-Angebote der Verlage gewerblich nutzen möchte, schließt einen Nutzungsvertrag ab. Wer nicht nutzen möchte, schließt keinen Vertrag ab, zahlt nicht und nutzt nicht.
Falsch: Entgegen dieses „Lippenbekenntnisses“ soll die Freiheit, kostenlos verbreitete Inhalte auch kostenlos nutzen zu dürfen, beseitigt werden. Freiwilligkeit wäre gegeben, wenn die Presseverleger – wie bislang heute schon möglich – ihre Inhalte kostenpflichtig anbieten würden und die Nutzer daher freiwillig vorher entscheiden könnten, ob sie den geforderten Preis für ein konkretes Angebot entrichten wollen, um die Inhalte anschließend legal nutzen zu können. Durch das LSR wird sollen die eigentlich weiterhin frei und kostenlos vertriebenen Inhalte einer gewerblichen Nutzergruppe jedoch zunächst frei zugänglich gemacht und erst nachträglich mit einem Preis belegt werden. Offensichtlich glauben die Verleger selbst nicht daran, ohne eine solche „Abofalle“ in einem normalen Marktgeschehen die gleichen Einnahmen erzielen zu können. Aufgrund des gesetzlichen Eingriffs soll der normale Prozess von Angebot und Nachfrage zugunsten der Verleger schlicht umgekehrt und sollen zugleich die Preise festgeschrieben werden.
17. Datenschutz: Was die Kunden wie oft nutzen, ist allein ihre Sache. Die Verlage erheben das nicht. Per Flatrate sind alle Nutzungen des gewerblichen Nutzers abgegolten.
Eine bewusste Irreführung! Der Datenschutz wird schlicht als Argument dafür missbraucht, um alle gewerblichen Nutzer ohne Wahlfreiheit in ein Tarifmodell „per Flatrate“ zwingen zu wollen. Da die Verlage nicht darauf verzichten zu überprüfen, „ob“ ein Angebot genutzt wird, sondern lediglich, was und wie oft innerhalb einer Website genutzt wird, wollen sie gewerbliche Nutzer dazu zwingen, ohne Auswahlmöglichkeit immer den vollen „Abopreis“ zu entrichten. Selbst wenn nur ein einzelner Artikel abgerufen worden ist, würde durch diesen Trick zwangsläufig die Pauschale für das Gesamtangebot zu entrichten sein.
18. Verwertungsgesellschaft: Der seit Jahrzehnten bewährte Rahmen, der die oben genannten Punkte sicherstellt, ist das Recht der Verwertungsgesellschaft. Die Verlage schlagen vor, gesetzlich zu verankern, dass das Leistungsschutzrecht für die Vervielfältigung unkörperlicher Verlagsprodukte zu gewerblichen Zwecken nur von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden kann.
Eine bewusste Irreführung! Egal ob die Wahrnehmung des LSR durch eine Verwertungsgesellschaft gesetzlich vorgeschrieben würde oder nicht: Jeder LSR-Berechtigte kann die Wahrnehmung seiner Rechte einer Verwertungsgesellschaft überlassen. Sobald ein Presseverlag dieses verlangt, kann die Verwertungsgesellschaft seine Rechte wahrnehmen. Insoweit hat der Gesetzgeber keine Regelungsmöglichkeit.
19. Staatliche Aufsicht: Nach geltendem Recht unterstehen Verwertungsgesellschaften strenger staatlicher Aufsicht. Das gilt auch für die Verwertungsgesellschaft, die später Verlagsrechte wahrnimmt. Sie stellt Tarife auf, die von der Aufsicht genehmigt werden müssen und von allen Betroffenen beklagt werden können. Auf Basis rechtsgültiger Tarife ist jede Verwertungsgesellschaft kontrahierungspflichtig.
Stimmt teilweise: Die Verwertungsgesellschaft und ihre Tarife sind tatsächlich nicht die Ursache des Problems und der Kritik am LSR. Vielmehr ergeben sich schon aus einem „nackten“ Leistungsschutzrecht für Presseverleger in der von ihnen gewünschten Form fast alle problematischen Rechtsfolgen quasi von selbst. Durch das LSR soll die bisherige Vertragsfreiheit zu Lasten der gesamten gewerblichen Wirtschaft in einen faktischen Kontrahierungszwang umgekehrt werden. Da das LSR die Nutzer zum Vertragsschluss verpflichten soll, ist es nur konsequent, wenn auch die Verwertungsgesellschaft zum Vertragsschluss verpflichtet wird. Kontrahierungszwang ist in der Marktwirtschaft eine Ausnahme für wenige, begründete Einzelfälle. Mit dem Leistungsschutzrecht soll diese rechtliche Ausnahme ausgerechnet auf einem eigentlich freiheitlicher Medienmarkt zur Regel erhoben werden. Ohne, dass außer der Gewinnerzielungsabsicht der Verleger ein Interesse der Allgemeinheit an dem geforderten LSR überzeugend vorgetragen würde.
Jan Moenikes, Stand: Oktober 2010
[…] Mönikes setzt sich in einem Blogpost mit den Kernpunkten des Verlegervorschlags zum Leistungsschutzrecht (LSR) auseinander. […]
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