Die Ver­le­ger­ver­bän­de BDZV und VDZ haben anläss­lich des Medi­en­dis­puts des Bun­des­ver­ban­des deut­scher Pres­se­spre­cher ein Papier mit 19 „Kern­punk­ten des Ver­le­ger­vor­schlags zum Leis­tungs­schutz­recht“ (LSR) ver­brei­tet. Da sie die­ses Papier, das hier voll­stän­dig in kur­si­ver Schrift doku­men­tiert wird, auch noch aktu­ell im poli­ti­schen Raum zur Wer­bung für ihre For­de­rung nut­zen, wer­den hier den ein­zel­nen PRO-Argu­men­ten der Ver­le­ger die wich­tigs­ten CON­TRA-Argu­men­te der Kri­ti­ker gegen­über­ge­stellt. Da die Ver­le­ger selbst in wich­ti­gen Punk­ten ihrer For­de­rung auch in die­sem Posi­ti­ons­pa­pier wei­ter­hin bewusst unscharf blei­ben, soll die zuge­spit­ze Kom­men­tie­rung zugleich zu einer Klä­rung der wich­tigs­ten offe­nen Fra­gen für die wei­te­re poli­ti­sche Debat­te bei­tra­gen. Für sach­li­che Hin­wei­se und Ergän­zun­gen zur Wei­ter­ent­wick­lung des Tex­tes ist der Autor daher dankbar.

 

 1. Urhe­ber­recht­li­che Begrün­dung: Schlie­ßung einer Rege­lungs­lü­cke. Anders als noch vor zwan­zig Jah­ren ist es in der digi­ta­len Welt unab­ding­bar, den Pres­se­ver­le­gern ein Leis­tungs­schutz­recht an ihren Pres­se­er­zeug­nis­sen zuzu­ge­ste­hen. Ein sol­ches Recht ist etwas Nor­ma­les im Urhe­ber­recht, was die Leis­tungs­schutz­rech­te für Sen­de­un­ter­neh­men, Ton­trä­ger­her­stel­ler, Kon­zert­ver­an­stal­ter und ande­re Werk­mitt­ler belegen.

Falsch: Urhe­ber­recht­lich besteht kei­ne Not­wen­dig­keit für ein Leis­tungs­schutz­recht. Das Urhe­ber­recht wur­de gera­de für die Rege­lung der (öko­no­mi­schen) Rechts­be­zie­hun­gen zwi­schen Autoren, Ver­le­gern, Lesern und Nut­zern geschaf­fen. Beim Urhe­ber­recht han­delt es sich somit um den „Nor­mal­fall“, der in meh­re­ren Novel­lie­run­gen bereits an das neue, digi­ta­le Zeit­al­ter ange­passt wur­de. Leis­tungs­schutz­rech­te dage­gen wur­den zur Rege­lung von „Aus­nah­me­fäl­len“ geschaf­fen, die erst nach den Urhe­ber­rech­ten auf­ge­tre­ten sind (Fil­me, Schall­plat­ten und Rund­funk oder auch die Mög­lich­keit, als Besu­cher Kon­zer­te auf­zu­zeich­nen, sind his­to­risch viel spä­te­re Phä­no­me­ne als Bücher und Zei­tun­gen). Das die Ver­le­ger anders als die Urhe­ber kei­ne Eigen­tums­rech­te durch die Werk­mitt­lung ver­mit­telt bekom­men, ist somit kein Ver­se­hen im Sin­ne einer uner­kann­ten Rege­lungs­lü­cke, son­dern eine bewuss­te Ent­schei­dung des Gesetz­ge­bers, die auch im digi­ta­len Zeit­al­ter voll zum Tra­gen kommt.

2. Wirt­schaft­li­che Begrün­dung: Schutz des geis­ti­gen Eigen­tums von Ver­la­gen im Zeit­al­ter der Digi­ta­li­sie­rung. Siche­rung des Fort­be­stands einer viel­fäl­ti­gen frei­en Pres­se auch im Internet.

Falsch: Wirt­schaft­lich besteht zwar ein indi­vi­du­el­les, jedoch kein all­ge­mein­nüt­zi­ges Inter­es­se an einem Leis­tungs­schutz­recht. Das geis­ti­ge Eigen­tum ist dank bereits erfolg­ter Geset­zes­än­de­run­gen der ver­gan­ge­nen Jah­re auch im Zeit­al­ter der Digi­ta­li­sie­rung längst hin­rei­chend geschützt. Die juris­ti­schen Mög­lich­kei­ten zur Durch­set­zung geis­ti­ger Eigen­tums­rech­te geht sogar wei­ter, als bei fun­da­men­ta­len Grund­rech­ten wie dem Per­sön­lich­keits­recht. Soweit Autoren und Ver­la­ge Urhe­ber- oder Nut­zungs­rech­te gel­ten machen kön­nen, man­gelt es daher nicht am Recht, son­dern an sei­ner Durch­set­zung im Inter­net im Fal­le eines Miss­brauchs. Auch der Ton­trä­ger­indus­trie, des­sen Leis­tungs­schutz­recht sich die Ver­le­ger zum Vor­bild neh­men, nützt ihr Leis­tungs­schutz­recht wenig, wenn mas­sen­haft Raub­ko­pien von Musik im Inter­net ver­teilt wer­den. Viel­falt und Frei­heit der Pres­se wird daher am bes­ten dadurch gesi­chert, dass sie sich erfolg­reich dem fai­ren Wett­be­werb stellt, mög­lichst vie­le Men­schen zur Zah­lung ange­mes­se­ner Gebüh­ren ani­miert und Miss­bräu­che kon­se­quent bekämpft. Nicht aber, indem für sie ein natio­nal­staat­li­cher Schutz­raum durch den Gesetz­ge­ber geschaf­fen wird.

3. Not­wen­dig­keit: Mit zuneh­men­der Digi­ta­li­sie­rung der Pres­se wer­den Rech­te am geis­ti­gen Eigen­tum zum zen­tra­len Erfolgs­fak­tor. Ver­la­ge besit­zen heu­te kein Eigen­tums­recht an den Früch­ten ihrer Arbeit. Das stellt einen erheb­li­chen Wett­be­werbs­nach­teil auf den digi­ta­len Märk­ten der Gegen­wart und Zukunft dar.

Falsch: Außer den Ver­la­gen selbst sieht nie­mand bis­lang die Not­wen­dig­keit für ein Leis­tungs­schutz­recht. Natür­lich sind geis­ti­ge Schutz­rech­te zen­tra­le Erfolgs­fak­to­ren digi­ta­ler Wirt­schaft. Des­halb steht den jour­na­lis­ti­schen Autoren als Schöp­fern geis­ti­ger Leis­tun­gen heu­te allein das stärks­te Recht, das Eigen­tums­recht zu. Gegen Ent­gelt kön­nen sie den Ver­le­gern (einen Teil) ihrer Nut­zungs­rech­te ein­räu­men. Indem Pres­se­ver­la­gen numehr aber ein eige­nes Eigen­tums­recht für die blo­ße Werk­mitt­lung bean­spru­chen, kön­nen sie über frem­de geis­ti­ge Wer­ke wie Eigen­tum ver­fü­gen. Die Posi­ti­on des Urhe­bers bei der Aus­hand­lung fai­rer Prei­se im digi­ta­len Zeit­al­ter wür­de geschwächt. Das wis­sen auch die Jour­na­lis­ten und ver­lan­gen daher einen 50% Anteil an den von den Ver­le­gern erwünsch­ten LSR-Ein­nah­men zum Aus­gleich. Einen Wett­be­werbs­nach­teil stellt das Feh­len eines Leis­tungs­schutz­rech­tes zudem auch inter­na­tio­nal nicht dar: In der von den Ver­le­gern gefor­der­ten Form gibt es die­ses Recht auf der gan­zen Welt nicht.

4. Autoren: Das Urhe­ber­recht der Autoren bleibt vom Leis­tungs­schutz­recht für Pres­se­ver­le­ger unbe­rührt. Bei­de Rech­te ste­hen wie in allen ande­ren krea­ti­ven Bran­chen trenn­scharf neben­ein­an­der. Autoren erlei­den kei­ner­lei Nach­tei­le. Sie wer­den an den Erträ­gen des Leis­tungs­schutz­rechts betei­ligt. Sie kön­nen ihre eige­nen Autoren­rech­te wie bis­her belie­big verwerten.

Falsch: Die wirt­schaft­li­che Posi­ti­on der Autoren ver­schlech­tert sich. Das Eigen­tums­recht der Ver­la­ge über­la­gert das Urhe­ber­recht der Autoren: Ver­le­ger könn­ten auf­grund der (erst­ma­li­gen) digi­ta­len Werk­ver­mitt­lung neue Ver­wer­tungs­mo­del­le erschlie­ßen, ohne dafür nach­träg­li­che Ver­ein­ba­run­gen mit den Autoren schlie­ßen und die­se dafür bezah­len zu müs­sen. Eine Viel­zahl von Autoren erhof­fen sich, durch die Betei­li­gung an Ein­nah­men aus dem LSR die­se Schlech­ter­stel­lung aus­zu­glei­chen. Sie sind hier jedoch schlecht bera­ten, da die Per­spek­ti­ven die­ser Ein­nah­men völ­lig offen sind, die recht­li­che Benach­tei­li­gung jedoch dau­er­haft. Erfolg­rei­che (freie) Autoren wei­gern sich daher bis­lang, ihre Rech­te pau­schal für gerin­ge Ent­gel­te an die Ver­le­ger abzu­ge­ben (sog. „Total Buyout“-Verträge). Wäh­rend sich durch ein LSR für ange­stell­te Jour­na­lis­ten wenig ändert, ist die­ses gera­de für freie Autoren pro­ble­ma­tisch. Daher leh­nen die „Frei­schrei­ber“, der Ver­band frei­er Jour­na­lis­ten, die Plä­ne eines LSR auch vehe­ment ab.

5. Geschäfts­mo­del­le: Das Leis­tungs­schutz­recht baut kei­ne Schutz­zo­ne für alte Geschäfts­mo­del­le auf. Es schafft nur den Rechts­rah­men für neue Geschäfts­mo­del­le. Sol­che Geschäfts­mo­del­le zu ent­wi­ckeln, ist allein Auf­ga­be der Ver­la­ge. Sie stel­len sich dem digi­ta­len Wan­del und gestal­ten ihre Zukunft aus eige­ner Kraft.

Falsch: Das LSR soll eine Schutz­zo­ne um die heu­ti­ge Ver­lags­land­schaft errich­ten und ihre „Online-Gra­tis­zei­tun­gen“ sub­ven­tio­nie­ren. Der Medi­en­markt ist im Inter­net heu­te wesent­lich dyna­mi­scher und viel­fäl­ti­ger als der Markt „klas­si­scher“ Medi­en. Dort sind es eben nicht „allein“ die Ver­la­ge, deren Auf­ga­be es wäre, neue Geschäfts­mo­del­le mit den urhe­ber­recht­lich geschütz­ten Inhal­ten von Autoren zu schaf­fen. Zudem stel­len sich eini­ge Ver­la­ge die­sem Wan­del mit gro­ßem Erfolg. Tra­di­tio­nel­le Anzei­gen­ein­nah­men der Pres­se­me­di­en, z.B, im Bereich von Immo­bi­li­en und Part­ner­an­zei­gen, wur­den in Toch­ter­un­ter­neh­men aus­ge­la­gert und tra­gen heu­te schon ein Viel­fa­ches zu den Ein­nah­men bei. Zugleich wol­len Ver­le­ger aber mit dem LSR die wirt­schaft­li­chen Vor­tei­le ihrer „Gra­tis-Zei­tun­gen“ erhal­ten (Reich­wei­te, Wer­be­ein­nah­men  etc.) sowie ihre gewerb­li­chen Leser mit staat­li­cher Hil­fe zu Zah­lun­gen zwin­gen. Im Ergeb­nis wird eine zusätz­li­che neue Ein­nah­men­quel­le ange­strebt, die im Wider­spruch zum markt­wirt­schaft­li­chen Prin­zip und Erfol­ge der sons­ti­gen Akti­vi­tä­ten der Ver­la­ge stehen.

6. Anknüp­fungs­punkt: Das Leis­tungs­schutz­recht soll­te an die kon­kre­te Aus­ge­stal­tung der Ver­lags­leis­tung anknüp­fen. Das ist mit dem Pres­se­er­zeug­nis die jewei­li­ge gedruck­te oder digi­ta­le Publi­ka­ti­on, kei­nes­falls aber Tex­te oder Bil­der los­ge­löst von der kon­kre­ten Ver­wen­dung im Presseerzeugnis.

Falsch: Wie beim Leis­tungs­schutz­recht des Ton­trä­gers auch, kön­nen auch „wesent­li­che“ Tei­le eines Wer­kes vom LSR umfasst sein. Wäh­rend im Print­be­reich das kon­kre­te Lay­out z.B. einer Zei­tung Schutz­ge­gen­stand des LSR sein soll, soll es Online nach Vor­stel­lung der Ver­le­ger die gesam­te Web­site sein, also jedes Wort. Anknüp­fungs­punkt soll der HTML-Quell­code in Ver­bin­dung mit der Mar­ke und den Links einer Sei­te sein. Da der Quell­code einer Inter­net­sei­te weit­ge­hend aus nicht schutz­fä­hi­gen pro­gramm­tech­ni­schen Infor­ma­tio­nen besteht, die von der Redak­ti­ons­soft­ware gene­riert wer­den (z.B. Wor­d­Press), müs­sen auch „wesent­li­che“ Tei­le vom Schutz selbst­stän­dig umfasst sein, soll das LSR nicht leer­lau­fen. Bei Online-Pres­se sind „wesent­li­che“ Tei­le aber eben die vom Ver­le­ger ver­brei­te­ten Inhal­te, die in den HTML-Codes einer Sei­te ein­ge­fasst sind, vul­go die Tex­te selbst. Selbst Über­schrif­ten wie „Wir sind Papst“ oder „Ätschi­vi­dert­schi“ oder auch der bis­lang unge­schütz­te Text einer tages­ak­tu­el­len Nach­richt kön­nen damit am Schutz des LSR teil­neh­men und dem Ver­le­ger Eigen­tums­rech­te ver­mit­teln. Wer­den sie von Drit­ten „kon­kret“, also wie in dem ursprüng­li­chen Online-Pres­se­er­zeug­nis auch schon ver­wen­det, sprich ihrer­seits wie­der in HTML-Code ein­ge­tra­gen, kön­nen die­se Eigen­tums­rech­te sehr wohl berührt sein.

7. Zitat­recht: Zitie­ren bleibt wei­ter frei und kostenlos.

Stimmt! Aber nur teil­wei­se: Zitie­ren ist die Ein­bin­dung frem­der, urhe­ber­recht­lich geschütz­ter Inhal­te in eige­ne Wer­ke in einer Wei­se, die ihrer­seits urhe­ber­recht­li­chen Schutz zu genie­ßen ver­mag. Im Inter­net gel­ten auch „Sni­pits“, klei­ne Text­aus­zü­ge, wie sie von Goog­le für die Online-Suche auf­be­rei­tet wer­den, bis­lang als zuläs­sig. Die Ver­le­ger for­dern, dass genau auch sol­che For­men der Nut­zung Geneh­mi­gungs- und Lizenz­pflich­tig wer­den. Das LSR wür­de dann weit über den Schutz des Urhe­bers hinausgehen.

8. Links: Links blei­ben wei­ter frei und kostenlos.

Stimmt! Aber nur teil­wei­se: Heu­te schon trägt nach den Grund­sät­zen der Stö­rer­haf­tung der Ver­brei­ter von Links, die auf rechts­wid­ri­ge Ange­bo­te ver­wei­sen, eige­ne recht­li­che Ver­ant­wor­tung und hat die­ses ggfs. straf­be­wehrt zu unter­las­sen. Bezo­gen auf das LSR, dass nur in Deutsch­land gilt, könn­ten die Pres­se­ver­le­ger künf­tig erfolg­reich gegen Sei­ten­be­trei­ber vor­ge­hen, die auf ihren Sei­ten auf Ange­bo­te ver­lin­ken, die z.B. im Aus­land unter Miss­ach­tung des LSR Zugang zu Inhal­ten gewäh­ren. Inso­fern wären Links künf­tig nicht mehr „frei“.

9. Pri­vat­ko­pie: Pri­va­tes Kopie­ren bleibt wei­ter frei und wird wie bis­lang durch die ent­spre­chen­den Abga­ben ver­gü­tet. Die Ver­le­ger schla­gen hier­zu kei­ne Ände­rung vor.

Stimmt! Aber nur teil­wei­se: Die Recht­mä­ßig­keit der Kopier­ver­gü­tung ist euro­pa­recht­lich umstrit­ten. Mit der LSR ent­fällt die Begrün­dung der Abga­be zumin­dest bezüg­lich sol­cher Gerä­te, die im gewerb­li­chen Rah­men genutzt wer­den, wenigs­tens bezüg­lich des Anteils, der bis­lang an die Ver­le­ger abge­führt wird. Zudem wird bei der geplan­ten Tren­nung zwi­schen kos­ten­lo­ser pri­va­ter und lizenz­pflich­ti­ger beruf­li­cher Nut­zung frag­lich, was künf­tig wann als „Pri­vat“ zu gel­ten hat: Ist die Nut­zung von Online-Inhal­ten am Arbeits­platz auch dann „gewerb­lich“ und damit LSR-Abga­be­pflich­tig, wenn es ledig­lich aus pri­va­tem Inter­es­se geschieht. Und zählt eine Nut­zung im „Home Office“ als pri­vat, obwohl sie dienst­lich moti­viert ist?

10. Lesen: Das Lesen bleibt wei­ter frei und kostenlos.

Stimmt! Aber nur teil­wei­se: Der Vor­gang des Lesens selbst soll frei und kos­ten­los blei­ben. Der dem Lesen am Bild­schirm not­wen­di­ger­wei­se vor­an­ge­hen­de tech­ni­sche Vor­gang zur Dar­stel­lung der Web­sei­ten jedoch ist ein (flüch­ti­ger) Vor­gang der Ver­viel­fäl­ti­gung, dem durch das Leis­tungs­schutz­recht künf­tig eine eigen­stän­di­ge wirt­schaft­li­che Bedeu­tung zukommt. Das bis­he­ri­ge urhe­ber­recht­li­che Pri­vi­leg des § 44a UrhG könn­te dann zu Las­ten der LSR-ver­pflich­te­ten Nut­zer ent­fal­len. Das Lesen selbst blie­be so zwar frei und kos­ten­los, die dafür nöti­ge Bild­schirm­dar­stel­lung jedoch wäre es nicht mehr. Da hier­in die eigent­lich wirt­schaft­lich wich­tigs­te Bedeu­tung des LSR liegt, ver­wei­gern die Ver­le­ger bis­lang auch kon­se­quent jeg­li­che Erklä­rung, wel­chen wirt­schaft­li­chen Wert ihre For­de­rung noch haben soll, falls Bild­schirm­dar­stel­lun­gen nicht lizenz­pflich­tig wür­den. Letzt­lich kann die­se Fra­ge aber auch offen­blei­ben, wenn die Ver­le­ger pau­scha­le LSR-Gebüh­ren erzwin­gen kön­nen, die jeg­li­che Form der „Nut­zung“ abdeckt.

11. Spra­che: Die Spra­che bleibt frei. Sie wird nicht monopolisiert.

Stimmt! Aber schon „wesent­li­che“ Tei­le von LSR-geschütz­ten Tex­ten wer­den künf­tig jedoch lizenz­pflich­tig. Je nach­dem, was die Gerich­te schließ­lich als „wesent­lich“ anse­hen, kön­nen damit auch schon kur­ze Tex­te oder Begrif­fe vom LSR erfasst und damit in ihrer (kos­ten­frei­en) Nut­zung beschränk­bar werden.

12. Gewerb­li­che Nut­zung: Wer gesetz­lich geschütz­te Wer­ke gewerb­lich ver­viel­fäl­tigt, ver­brei­tet oder öffent­lich zugäng­lich macht, muss die Zustim­mung des Urhe­bers und Leis­tungs­schutz­be­rech­tig­ten ein­ho­len. Das ist mit Blick auf die Urhe­ber heu­ti­ge Rechtslage.

Stimmt! Daher wür­de das LSR auch wirt­schaft­lich für die Ver­le­ger kei­nen Sinn machen, wenn es gegen­über dem Urhe­ber­recht nicht ein „mehr“ bedeu­ten wür­de. Ein recht­li­ches „Mehr“ für die Ver­le­ger muss für irgend einen Ande­ren jedoch ein „Weni­ger“ an Rechts­po­si­ti­on bedeu­ten: Tat­säch­lich könn­ten Ver­le­ger die Tex­te der Urhe­bern im Ver­lags­er­zeug­nis künf­tig als Eigen­tum behan­deln betrach­ten. Eine „recht­li­che Schutz­lü­cke“ wird damit nicht geschlos­sen, son­dern viel­mehr die bestehen­de Balan­ce im Gefü­ge zwi­schen Urhe­ber und Ver­lag beeinträchtigt.

13. Kei­ne Büro­kra­tie: Wer Ver­lags­an­ge­bo­te im Inter­net zu gewerb­li­chen Zwe­cken ver­viel­fäl­tigt, soll die Zustim­mung der Ver­la­ge so schnell und unbü­ro­kra­tisch wie mög­lich ein­ho­len kön­nen. Des­we­gen wol­len die Ver­la­ge eine zen­tra­le Stel­le für das Gesamt­an­ge­bot der Ver­la­ge schaffen.

Falsch: Die „zen­tra­le Stel­le“ dient nicht dem Büro­kra­tie­ab­bau, son­dern vor­ran­gig dazu, die Markt­macht der Ver­le­ger zu bün­deln und so Ein­heits­prei­se durch­zu­set­zen, die sie im Wett­be­werb nicht erzie­len könn­ten. Für den Fall, dass das LSR Unter­neh­men mit über 20 Mil­lio­nen PC-Arbeits­plät­ze in Deutsch­land zu Zah­lun­gen ver­pflich­tet, wäre eine Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft in der Tat aus Grün­den der Büro­kra­tie unver­meid­lich. Gleich­wohl wäre ein erheb­li­cher büro­kra­ti­scher Auf­wand die Fol­ge. Zugleich wür­de ein Sys­tem­wech­sel im Pres­se­ver­lags­we­sen ein­her­ge­hen, dem auch dem Trend zu „Paid Con­tent“ für indi­vi­du­el­le Ver­lags­an­ge­bo­te wider­spricht: Schon heu­te schon sind eini­ge Ver­la­ge sehr erfolg­reich beim Ver­kauf ihrer Online-Ange­bo­te. Die „Apps“ von „BILD“ tra­gen inzwi­schen einen nicht uner­heb­li­chen Anteil an den Online-Erlö­sen des Ver­la­ges bei. Indem sol­che Ange­bo­te künf­tig „unbü­ro­kra­tisch“ nur noch im Paket mit dem „Gesamt­an­ge­bot der Ver­la­ge“ ange­bo­ten wür­den, wären die Nut­zer gezwun­gen, auch für Inhal­te zu bezah­len, die für sie unat­trak­tiv sind. Durch ein­heit­li­chen Tari­fe der Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft wür­de aber auch sonst der Preis­wett­be­werb im Medi­en­markt aus­ge­schal­tet. Selbst dann, wenn es mög­lich blie­be, ledig­lich die Ange­bo­te lizen­sie­ren zu müs­sen, an denen man wirk­lich Inter­es­se hat.

14. Abschluss­pflicht: Die Ver­la­ge ver­pflich­ten sich, mit jedem gewerb­li­chen Nut­zer ihrer Inter­net-Ange­bo­te, der dies wünscht, einen Nut­zungs­ver­trag abzuschließen.

Dar­auf kommt es gar nicht an! Frag­lich ist doch, wie der gewerb­li­che Nut­zer künf­tig die tat­säch­li­che Ent­schei­dung trifft, ob er über­haupt die Ange­bo­te nut­zen will oder ob er nicht fak­tisch dazu gezwun­gen wird – selbst wenn er unter nor­ma­len Bedin­gun­gen kein Inter­es­se an dem Ange­bot hat und daher auch nicht zum Ver­trags­schluss bereit wäre. Not­wen­dig wären mög­li­cher­wei­se auf­wän­di­ge Inter­netsper­ren auf freie zugäng­li­che Inter­net­sei­ten, die das Unter­neh­men instal­lie­ren müss­te. Ohne sol­che tech­ni­schen Schutz­maß­nah­men kann sich das LSR für die betrof­fe­nen Unter­neh­men ansons­ten als „Abo­fal­le“ erwei­sen, was die betrof­fe­ne Wirt­schaft kaum akzep­tie­ren kann. Kon­se­quen­ter­wei­se set­zen sich Ver­le­ger und die Jour­na­lis­ten­ge­werk­schaf­ten daher für „Stopp-Schil­der“ im Inter­net ein.

15. Fai­re Bedin­gun­gen: Die Bedin­gun­gen für die gewerb­li­che Nut­zung von Inter­net-Ange­bo­ten wer­den fair und trans­pa­rent sein.

Nur teil­wei­se rich­tig: Tari­fe von Ver­wer­tungs­ge­sell­schaf­ten ste­hen unter staat­li­cher Auf­sicht. Bei Besei­ti­gung der Ver­trags­frei­heit ist jedoch auch ein trans­pa­ren­ter Tarif nie­mals „fair“, da er nicht markt­mä­ßig gebil­det wur­de. Sobald der Staat Tari­fe zwi­schen Markt­teil­neh­mer fest­schreibt, greift er regu­lie­rend ein und setzt Gewin­ne und Ver­lus­te für die Ver­pflich­te­ten fest. Die­ses kann auch in der Markt­wirt­schaft gebo­ten sein, soweit damit ein Markt­ver­sa­gen besei­tigt wird. Ein sol­ches Ver­sa­gen der Märk­te ist jedoch im Online-Pres­se­be­reich weder ernst­haft behaup­tet, noch erkenn­bar oder gar nachgewiesen.

16. Frei­wil­lig­keit: Die Ver­la­ge beken­nen sich zum Prin­zip der Frei­wil­lig­keit. Kei­ne Zwangs­ab­ga­ben, kei­ne GEZ. Wer die Inter­net-Ange­bo­te der Ver­la­ge gewerb­lich nut­zen möch­te, schließt einen Nut­zungs­ver­trag ab. Wer nicht nut­zen möch­te, schließt kei­nen Ver­trag ab, zahlt nicht und nutzt nicht.

Falsch: Ent­ge­gen die­ses „Lip­pen­be­kennt­nis­ses“ soll die Frei­heit, kos­ten­los ver­brei­te­te Inhal­te auch kos­ten­los nut­zen zu dür­fen, besei­tigt wer­den. Frei­wil­lig­keit wäre gege­ben, wenn die Pres­se­ver­le­ger – wie bis­lang heu­te schon mög­lich – ihre Inhal­te kos­ten­pflich­tig anbie­ten wür­den und die Nut­zer daher frei­wil­lig vor­her ent­schei­den könn­ten, ob sie den gefor­der­ten Preis für ein kon­kre­tes Ange­bot ent­rich­ten wol­len, um die Inhal­te anschlie­ßend legal nut­zen zu kön­nen. Durch das LSR wird sol­len die eigent­lich wei­ter­hin frei und kos­ten­los ver­trie­be­nen Inhal­te einer gewerb­li­chen Nut­zer­grup­pe jedoch zunächst frei zugäng­lich gemacht und erst nach­träg­lich mit einem Preis belegt wer­den. Offen­sicht­lich glau­ben die Ver­le­ger selbst nicht dar­an, ohne eine sol­che „Abo­fal­le“ in einem nor­ma­len Markt­ge­sche­hen die glei­chen Ein­nah­men erzie­len zu kön­nen. Auf­grund des gesetz­li­chen Ein­griffs soll der nor­ma­le Pro­zess von Ange­bot und Nach­fra­ge zuguns­ten der Ver­le­ger schlicht umge­kehrt und sol­len zugleich die Prei­se fest­ge­schrie­ben werden.

17. Daten­schutz: Was die Kun­den wie oft nut­zen, ist allein ihre Sache. Die Ver­la­ge erhe­ben das nicht. Per Flat­rate sind alle Nut­zun­gen des gewerb­li­chen Nut­zers abgegolten.

Eine bewuss­te Irre­füh­rung! Der Daten­schutz wird schlicht als Argu­ment dafür miss­braucht, um alle gewerb­li­chen Nut­zer ohne Wahl­frei­heit in ein Tarif­mo­dell „per Flat­rate“ zwin­gen zu wol­len. Da die Ver­la­ge nicht dar­auf ver­zich­ten zu über­prü­fen, „ob“ ein Ange­bot genutzt wird, son­dern ledig­lich, was und wie oft inner­halb einer Web­site genutzt wird, wol­len sie gewerb­li­che Nut­zer dazu zwin­gen, ohne Aus­wahl­mög­lich­keit immer den vol­len „Abo­preis“ zu ent­rich­ten. Selbst wenn nur ein ein­zel­ner Arti­kel abge­ru­fen wor­den ist, wür­de durch die­sen Trick zwangs­läu­fig die Pau­scha­le für das Gesamt­an­ge­bot zu ent­rich­ten sein.

18. Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft: Der seit Jahr­zehn­ten bewähr­te Rah­men, der die oben genann­ten Punk­te sicher­stellt, ist das Recht der Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft. Die Ver­la­ge schla­gen vor, gesetz­lich zu ver­an­kern, dass das Leis­tungs­schutz­recht für die Ver­viel­fäl­ti­gung unkör­per­li­cher Ver­lags­pro­duk­te zu gewerb­li­chen Zwe­cken nur von einer Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft wahr­ge­nom­men wer­den kann.

Eine bewuss­te Irre­füh­rung! Egal ob die Wahr­neh­mung des LSR durch eine Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft gesetz­lich vor­ge­schrie­ben wür­de oder nicht: Jeder LSR-Berech­tig­te kann die Wahr­neh­mung sei­ner Rech­te einer Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft über­las­sen. Sobald ein Pres­se­ver­lag die­ses ver­langt, kann die Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft sei­ne Rech­te wahr­neh­men. Inso­weit hat der Gesetz­ge­ber kei­ne Regelungsmöglichkeit.

19. Staat­li­che Auf­sicht: Nach gel­ten­dem Recht unter­ste­hen Ver­wer­tungs­ge­sell­schaf­ten stren­ger staat­li­cher Auf­sicht. Das gilt auch für die Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft, die spä­ter Ver­lags­rech­te wahr­nimmt. Sie stellt Tari­fe auf, die von der Auf­sicht geneh­migt wer­den müs­sen und von allen Betrof­fe­nen beklagt wer­den kön­nen. Auf Basis rechts­gül­ti­ger Tari­fe ist jede Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft kontrahierungspflichtig.

Stimmt teil­wei­se: Die Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft und ihre Tari­fe sind tat­säch­lich nicht die Ursa­che des Pro­blems und der Kri­tik am LSR. Viel­mehr erge­ben sich schon aus einem „nack­ten“ Leis­tungs­schutz­recht für Pres­se­ver­le­ger in der von ihnen gewünsch­ten Form fast alle pro­ble­ma­ti­schen Rechts­fol­gen qua­si von selbst. Durch das LSR soll die bis­he­ri­ge Ver­trags­frei­heit zu Las­ten der gesam­ten gewerb­li­chen Wirt­schaft in einen fak­ti­schen Kon­tra­hie­rungs­zwang umge­kehrt wer­den. Da das LSR die Nut­zer zum Ver­trags­schluss ver­pflich­ten soll, ist es nur kon­se­quent, wenn auch die Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft zum Ver­trags­schluss ver­pflich­tet wird. Kon­tra­hie­rungs­zwang ist in der Markt­wirt­schaft eine Aus­nah­me für weni­ge, begrün­de­te Ein­zel­fäl­le. Mit dem Leis­tungs­schutz­recht soll die­se recht­li­che Aus­nah­me aus­ge­rech­net auf einem eigent­lich frei­heit­li­cher Medi­en­markt zur Regel erho­ben wer­den. Ohne, dass außer der Gewinn­erzie­lungs­ab­sicht der Ver­le­ger ein Inter­es­se der All­ge­mein­heit an dem gefor­der­ten LSR über­zeu­gend vor­ge­tra­gen würde.

Jan Moe­ni­kes, Stand: Okto­ber 2010