Man muss nicht in fun­da­men­ta­ler Geg­ner­schaft zu jeg­li­cher Spei­che­rung von Daten auf Vor­rat für poli­zei­li­che Zwe­cke (VDS) ste­hen, um nach einem genaue­ren Blick auf den Gesetz­ent­wurf des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Jus­tiz und Ver­brau­cher­schutz sagen zu müs­sen: Das Haus von Hei­ko Maas hat es erneut nicht geschafft, in einem schwie­ri­gen Feld „digi­ta­len Lebens“ ein inhalt­lich und hand­werk­lich über­zeu­gen­des Gesetz vor­zu­le­gen. So hoch dem Minis­ter der Ver­such anzu­rech­nen ist, die Vor­ga­ben des EuGH und des BVerfG beach­ten zu wol­len und er sich auch per­sön­lich in Ver­hand­lun­gen gegen noch wei­ter­ge­hen­de For­de­run­gen durch­ge­setzt haben mag: Das, was Maas nun im Eil­tem­po durchs Par­la­ment trei­ben will, ist in der Gesamt­schau, Ent­schul­di­gung, Murks! Es wird jetzt beson­ders an den Rechts­po­li­ti­kern der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on, am zustän­di­gen Bericht­erstat­ter und sei­nem Spre­cher und der Frak­ti­ons­füh­rung lie­gen, dass wenigs­tens im Rah­men der par­la­men­ta­ri­schen Bera­tun­gen noch die schlimms­ten hand­werk­li­chen Feh­ler beho­ben wer­den, bevor sich das Gesetz einer Nach­prü­fung durch das BVerfG und den EuGH stel­len muss, die die Oppo­si­ti­on bereits ange­kün­digt hat.

Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht!

„Kla­re und trans­pa­ren­te Rege­lun­gen wah­ren die Balan­ce zwi­schen Frei­heit und Sicher­heit“ meint der sicht­lich „fest“ von sei­nem Werk über­zeug­te Minis­ter Hei­ko Maas bei der Prä­sen­ta­ti­on sei­nes Gesetz­ent­wur­fes und hob dabei beson­ders die kur­zen Spei­cher­fris­ten, den Rich­ter­vor­be­halt ohne eine Eil­kom­pe­tenz der Staats­an­walt­schaft und den gesetz­li­chen Schutz der Berufs­ge­heim­nis­trä­ger her­vor. Man habe die stren­gen Vor­ga­ben der Gerich­te „eins zu eins“ umge­setzt. Und, in der Tat liest sich der Gesetz­ent­wurf zumin­dest an den Stel­len, wo das Minis­te­ri­um auf ein­deu­ti­ge Vor­ga­ben des EuGH und des BVerfG zurück­ge­grif­fen hat, durch­aus stimmig.

Hef­ti­ge Kri­tik for­mu­liert sich – sowohl grund­sätz­li­cher Natur, aber nach und nach auch immer mehr im Detail – inzwi­schen den­noch von allen Sei­ten: Vom Anwalts­ver­ein ange­fan­gen, über die Daten­schüt­zer, bis hin zum SPD nahen Ver­ein D64. Allein das BMJV scheint von der eige­nen hand­werk­li­chen Leis­tung so rest­los über­zeugt zu sein, dass es die bei jedem kom­ple­xen The­ma eigent­lich übli­che und drin­gend gebo­te­ne Anhö­rung der ver­pflich­te­ten Unter­neh­men und ihrer Ver­bän­de gleich ganz aus­ge­las­sen hat, um den Ent­wurf im Eil­tem­po noch vor dem Par­tei­kon­vent der SPD am 20. Juni 2015 in ers­ter Lesung ins Par­la­ment ein­brin­gen zu kön­nen. Eine mög­lichst unver­än­der­te Beschluss­fas­sung soll der Bun­des­tag mit der Mehr­heit der gro­ßen Koali­ti­on noch vor der Som­mer­pau­se im Juli ablie­fern, eine ernst­haf­te par­la­men­ta­ri­sche Bera­tung der ein­zel­nen Rege­lung ist offen­sicht­lich nicht gewünscht. Nach­voll­zieh­bar, denn mit jeder Ana­ly­se, mit jedem wei­te­ren Exper­ten, der den Gesetz­ent­wurf öffent­lich seziert, droht beson­ders der SPD und dort vor allem Hei­ko Maas der öffent­lich geführ­te Nach­weis, dass „gut gemeint“ häu­fig nur das Gegen­teil von „gut gemacht“ ist und aus­ge­rech­net das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um sich zuneh­mend zum Risi­ko für Frei­heits­rech­te entwickelt.

Eine bestimm­te Form von Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on gegen jede Art von Vor­rats­da­ten­spei­che­rung, die dazu auch noch einen sehr enge Vor­stel­lung davon hat, was alles kein „Ver­kehrs­da­tum“ sein soll, macht es den Befür­wor­tern der VDS den­noch leicht, so zu tun, als wären alle Kri­ti­ker des Geset­zes irgend­wel­che „Netzhei­nis“, die von einem „rechts­frei­en Raum des Inter­net“ träu­men wür­den: Denn, anders als oft in Blogs und Foren behaup­tet, ist eben nicht jede Form von Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ver­fas­sungs­wid­rig, ist „Quick Free­ze“ kei­ne unpro­ble­ma­ti­sche Alter­na­ti­ve zur VDS und ist vie­len Men­schen die grund­sätz­li­che Kern­the­se gut ver­mit­tel­bar, dass im digi­ta­len Raum die Ermitt­lungs­be­hör­den („end­lich“) die not­wen­di­gen Mit­tel und Kom­pe­ten­zen bekom­men müss­ten, nach der die Innen­mi­nis­ter seit Jah­ren so dring­lich rufen. Tat­säch­lich ist es aus Sicht der Ermitt­lungs­be­hör­den ein Pro­blem, dass mit dem vor eini­gen Jah­ren von den Daten­schüt­zern in Deutsch­land durch­ge­setz­ten und sehr weit­ge­hen­den Ver­bot einer Spei­che­rung von dyna­mi­schen IP-Adres­sen die Ermitt­lung von Anschlus­s­in­ha­bern heu­te erheb­lich erschwert wird. Eine ver­hält­nis­mä­ßi­ge gesetz­li­che Rege­lung aus­schließ­lich hier­zu könn­te durch­aus Sinn machen.

Ob dabei jedoch der von Hei­ko Maas vor­ge­leg­te „Ent­wurf eines Geset­zes zur Ein­füh­rung einer Spei­cher­pflicht und einer Höchst­spei­cher­frist für Ver­kehrs­da­ten“, wie er ihn als „Kom­pro­miss“ weit­ge­hend per­sön­lich mit Bund­sin­nen­mi­nis­ter de Mai­ziè­re aus­ge­han­delt hat, über­zeugt, dürf­ten selbst vie­le „Freun­de der Über­wa­chung“ bezwei­feln. Man­che Kri­tik aus Ermitt­ler­krei­sen, die jetzt laut wird, ist sogar nach­voll­zieh­bar, denn wer ein Gesetz vor­legt, das Ermitt­lungs­be­hör­den „ein rechts­staat­lich ein­wand­frei­es Instru­ment zur Straf­ver­fol­gung für Ver­bre­chen“ an die Hand geben will, um den „Mög­lich­kei­ten der Digi­ta­li­sie­rung als Tat­werk­zeug“ zu begeg­nen, muss die Fra­ge beant­wor­ten kön­nen, war­um etwa aus­ge­rech­net in Fäl­len schwe­rer Com­pu­ter­kri­mi­na­li­tät die VDS-Daten nicht abge­fragt wer­den dür­fen, dafür aber selbst in sol­chen Fäl­len, in denen es etwa um die Ver­fol­gung eines Ver­ge­hens des Han­dels mit jugend­por­no­gra­phi­schen Man­ga-Comics geht…

Auch hat der Bun­des­jus­tiz­mi­nis­ter vor vier Mona­ten selbst noch die VDS als gänz­lich untaug­li­ches Instru­ment abge­lehnt. Allein, nach einem „Macht­wort“ von Sig­mar Gabri­el hat Maas sei­ne bis dato als per­sön­li­che Über­zeu­gung vor­ge­stell­te Ableh­nung der VDS über Bord gewor­fen. Denn der Par­tei­vor­sit­zen­de der SPD hat­te ange­kün­digt, das Gesetz not­falls mit Hil­fe eines Mit­glie­der­ent­scheids sei­ner Par­tei gegen den eige­nen Par­tei­vor­stand und den Minis­ter erzwin­gen zu wol­len. Hei­ko Maas wäre bei einer Ableh­nung also poli­tisch nur der Rück­tritt vom Amt geblie­ben – ver­hin­dert hät­te er den Ent­wurf damit zwar kaum, ein Zei­chen gegen Poli­tik­ver­dros­sen­heit setz­ten kön­nen dage­gen viel­leicht schon. Um auch sei­nen Vor­sit­zen­den vor Gesichts­ver­lust zu bewah­ren, ver­han­del­te der bra­ve Minis­ter mit sei­nem kon­ser­va­ti­ven Kabi­netts­kol­le­gen aber lie­ber flink und bis spät in die Nacht über ein Gesetz, das er am 15. April 2015 als „Leit­li­ni­en“ in sei­nen Grund­zü­gen öffent­lich und in der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on vor­stell­te und das nun mit dem vom Kabi­nett ver­ab­schie­de­ten Gesetz­ent­wurf umge­setzt wer­den sollen.

Da es zur Über­zeu­gung eini­ger aktu­el­ler Füh­rungs­fi­gu­ren in der SPD zu gehö­ren scheint, dass selbst das, wozu man sich durch den Koali­ti­ons­part­ner gezwun­gen fühlt, als ein eige­ner, groß­ar­ti­ger Erfolg ver­kauft sein will, preist inzwi­schen auch die Gene­ral­se­kre­tä­rin der SPD den angeb­lich aus­ge­wo­ge­nen und gelun­ge­nen Gesetz­ent­wurf – wobei Ihre Inter­pre­ta­ti­on der Rege­lun­gen aller­dings nur zum Teil etwas mit dem tat­säch­li­chen Ent­wurf zu tun haben. Ob das die inzwi­schen mehr als 100 Glie­de­run­gen der SPD, die einen ableh­nen­den Antrag für den Par­tei­kon­vent gegen den Gesetz­ent­wurf ein­ge­bracht oder die­je­ni­gen Abge­ord­ne­ten der SPD-Frak­ti­on, die bereits öffent­lich ihre Ableh­nung erklärt haben, von der Sinn­haf­tig­keit der vor­ge­schla­ge­nen VDS über­zeu­gen wird, dürf­te jedoch zwei­fel­haft sein.

Eine Gewähr, dass es des­we­gen wenigs­tens auf dem Par­tei­kon­vent der SPD zu der eigent­lich längst über­fäl­li­gen inhalt­li­chen und vor allem sach­li­che­ren Debat­te als bis­lang kom­men wird, ist jedoch nicht gege­ben: Schon beim letz­ten kon­tro­vers aus­ge­tra­ge­nen netz­po­li­ti­schen The­ma, den soge­nann­ten „Websper­ren“ von „Zen­sur­su­la“ von der Ley­en, wur­den Initia­tiv­an­trä­ge, die eine Ver­ab­schie­dung des Geset­zes ver­hin­dern soll­ten, auf dem Par­tei­tag der SPD gar nicht erst zur Debat­te und Abstim­mung auf­ge­ru­fen. Der damals hier­für ver­ant­wort­li­che Sit­zungs­lei­ter des Par­tei­ta­ges hieß übri­gens: Hei­ko Maas. Und auch jetzt berei­tet die Gene­ral­se­kre­tä­rin bereits einen ähn­li­chen „Schach­zug“ vor, indem sie behaup­tet, dass der Par­tei­tag der SPD im Jahr 2011 bereits eine Grund­satz­ent­schei­dung getrof­fen hät­te, die über den dama­li­gen Bezug hin­aus, die recht­lich gebo­te­ne Umset­zung der damals noch gül­ti­gen EU-Richt­li­nie, wirk­sam wäre und daher nur durch den nächs­ten Par­tei­tag, nicht aber den jetzt anste­hen­den Kon­vent, geän­dert wer­den könnte.

Die Hoff­nung, dass die Par­tei­füh­rung einen offe­nen Dis­kurs in die­ser Fra­ge zulas­sen und die für eine erzwun­ge­ne Debat­te not­wen­di­ge, ent­schlos­se­ne Mehr­heit vor­han­den ist, könn­te somit eine trü­ge­ri­sche sein, die ent­spre­chen­den enga­gier­ten Prot­ago­nis­ten erneut nur Ent­täu­schung und Frus­tra­ti­on ern­ten. Denn eines ist in der Tat rich­tig: Der jet­zi­ge Ent­wurf bemüht sich zumin­dest dar­um, die Linie des bestehen­den Beschlus­ses des SPD-Par­tei­ta­ges ein­zu­hal­ten, auch wenn es ihm in der Sache nicht gelingt – was vie­le jedoch nicht zur Kennt­nis neh­men wer­den (oder wollen).

Auch die Hoff­nun­gen auf ein kor­ri­gie­ren­des Ein­grei­fen des EuGH und des BVerfG könn­ten trü­ge­risch sein:

Gemes­sen am Prüf­maß­stab der Art. 7 und 8 der Euro­päi­schen Grund­rech­te Char­ta dürf­ten die geplan­ten gesetz­li­chen Rege­lun­gen zwar nich­tig sein, schon weil der EuGH gene­rell kaum „anlass­lo­se“ Über­wa­chung zulas­sen will. Ob und inwie­weit die Luxem­bur­ger Rich­ter jedoch – anders als bei der Nach­kon­trol­le der sei­ner­zeit mit der Har­mo­ni­sie­rung des Bin­nen­markts begrün­de­ten EU-Richt­li­nie – auch gegen die VDS in der jet­zi­gen Aus­for­mung als „natio­na­les Sicher­heits­ge­setz“ durch­grei­fen wer­den und recht­lich über­haupt kön­nen, ist nicht so ganz ein­deu­tig, wie es sich man­che Geg­ner der VDS sicher­lich wün­schen. Dass es dem Gesetz­ent­wurf bezüg­lich der Vor­ga­ben des BVerfG ins­be­son­de­re an der Erfül­lung der Anfor­de­run­gen an Ver­trau­lich­keit bei der Abfra­ge (Ein­zel­ent­schlüs­se­lung), der Daten­si­cher­heit bei der Über­mitt­lung an Anfra­gen­de, der Nor­men­klar­heit und ‑bestimmt­heit bei der Bestands­da­ten­aus­kunft und einer Gesamt­rech­nung aller Über­wa­chungs­maß­nah­men man­gelt, ist eben­falls kei­ne Garan­tie für eine Auf­he­bung, son­dern kann auch nur in eini­gen rich­ter­lich ange­ord­ne­te „Nach­bes­se­run­gen“ mün­den, muss die VDS aber nicht kom­plett verhindern.

Auch wenn es schwer­fällt: Man wird sich also m.E. par­al­lel zu allen grund­sätz­li­chen Beden­ken und berech­tig­ten Pro­tes­ten auch mit den ein­zel­nen Rege­lun­gen des Geset­zes inten­siv zu befas­sen haben, um zumin­dest im begrenz­ten Rah­men noch eini­ges ver­hin­dern zu kön­nen. Dazu gehört neben der Ver­mei­dung unver­hält­nis­mä­ßi­gen Ein­grif­fen in Frei­heits­rech­te aller Bür­ger, eben auch die Begren­zung unnö­ti­ger Belas­tun­gen der vom Gesetz ver­pflich­te­ten Unter­neh­men. Denn auch hier droht erheb­li­cher Kol­la­te­ral­scha­den, der die Viel­falt an Ange­bo­ten und Anbie­tern in Deutsch­land erheb­lich redu­zie­ren kann.

Ins­be­son­de­re erweist es sich dabei als pro­ble­ma­tisch, dass vie­le der vor­ge­schla­ge­nen Rege­lun­gen tech­nisch nicht prak­ti­ka­bel und kaum umsetz­bar sind. Gleich­zei­tig kann das behaup­te­te Ziel des Geset­zes nur teil­wei­se erreicht wer­den und sind etli­che Rege­lun­gen (und Aus­las­sun­gen) so unklar, dass sie nicht nur als Ein­falls­tor für behörd­li­che Will­kür und jah­re­lan­ge Rechts­strei­te tau­gen, son­dern auch zu einer viel wei­ter­ge­hen­den Über­wa­chung der Daten­ver­keh­re füh­ren könn­ten, als offi­zi­ell inten­diert ist.

Sol­ches zu ver­mei­den wird die Auf­ga­be der Par­la­men­ta­ri­er sein, die sich hier auch nicht allein auf die Posi­ti­on einer gene­rel­len Ableh­nung zurück­zie­hen soll­ten, son­dern zumin­dest im Rah­men ihrer urei­gens­ten Kom­pe­ten­zen – not­falls auch gegen den Druck der Bun­des­re­gie­rung und ihrer Par­tei- und Frak­ti­ons­füh­rer – wenigs­tens das schlimms­te ver­hin­dern soll­ten, wenn sie schon kei­ne par­la­men­ta­ri­sche Mehr­heit für eine Ableh­nung orga­ni­sie­ren können.

Zwei konkrete Beispiele:

1. Anders, als öffent­lich behaup­tet, wer­den eben nicht nur IP-Adres­sen „und sonst nix“ gespei­chert. Die Rege­lun­gen des § 113 b Abs. 3 Nr. 2 TKG‑E bedeu­ten viel­mehr, und zwar auch nach Les­art von Ver­tre­tern der Sicher­heits­be­hör­den, dass dort, wo ansons­ten der Teil­neh­mer­an­schluss nicht klar zu iden­ti­fi­zie­ren ist, neben der IP-Adres­se jede Art von Ken­nung mit­ge­spei­chert wer­den muss (also auch etwa Port-Num­mern, NATs etc.) und dazu noch („sowie“) jede ande­re mög­li­cher­wei­se vor­han­de­ne Benut­zer­ken­nung, die eine ein­ein­deu­ti­ge Iden­ti­fi­zie­rung des Teil­neh­mers erlaubt. Streng genom­men han­delt es sich also durch­aus um „Inhal­te“ von Daten­pa­ke­ten, da nur die Spei­che­rung des IP-Hea­ders in vie­len Fäl­len für Zwe­cke der Teil­neh­mer­an­schlus­si­den­ti­fi­ka­ti­on nicht hin­rei­chend wären.

2. Somit erweist sich das Ver­spre­chen des Ver­bots der Spei­che­rung von Inhal­ten und „Daten über auf­ge­ru­fe­ne Inter­net­sei­ten und Daten von Diens­ten der elek­tro­ni­schen Post“ als rhe­to­ri­sches Mit­tel eines zumin­dest nicht rich­tig infor­mier­ten Minis­ters – zugleich aber auch gar nicht als zwin­gend grund­rechts­scho­nend. Im Gegen­teil: Auf­grund der Ver­pflich­tung aus Nr. 1 des neu­en § 113 a Abs. 1 TKG‑E, wird – anders als in der alten Fas­sung des Geset­zes – auch ohne das Bestehen einer End­kun­den­be­zie­hung nun­mehr auch der­je­ni­ge Pro­vi­der zu Spei­che­run­gen ver­pflich­tet, der „kei­ne der nach die­ser Vor­schrift zu spei­chern­den Daten selbst erzeugt und ver­ar­bei­tet“ und das auch in dem Fall, in dem er „nur eini­ge, aber nicht alle zu spei­chern­den Daten selbst erzeugt oder ver­ar­bei­tet“, jeden­falls soweit er „die Daten bei der Erbrin­gung des Diens­tes erzeugt oder ver­ar­bei­tet“ (vgl. S. 43 der Begrün­dung zu § 113a TKG‑E).

Da es auf eine End­kun­den­be­zie­hung also nicht mehr ankom­men soll, wäre es auf­grund die­ser Aus­wei­tung des Kreis der Ver­pflich­te­ten dann aber nicht abwe­gig, wenn die­ses in der Pra­xis so zu inter­pre­tie­ren wäre, dass sich für den Pro­vi­der, der nicht selbst IP-Tele­fo­nie als eige­nen Dienst i.S.d. § 113 b Abs. 2 Nr. 5 TKG‑E, son­dern „nur“ den Inter­net­zu­gang anbie­tet, die Ver­pflich­tung ergibt, „sicher­zu­stel­len“, dass von ihm auch „die nicht von ihm selbst bei der Erbrin­gung sei­nes Diens­tes erzeug­ten oder ver­ar­bei­te­ten Daten“ nach § 113 b TKG zu spei­chern sind, da schon die Wei­ter­lei­tung von Daten ande­rer Anbie­ter einen eige­nen Ver­ar­bei­tungs­vor­gang von Daten dar­stel­len dürf­te. Die frü­he­re, ein­deu­ti­ge Limi­tie­rung, ledig­lich die Daten von „Resel­lern“ Teil­neh­mern zuord­nen zu kön­nen, ist in die­ser Fas­sung des Ent­wurfs dage­gen nicht mehr enthalten.

Sprich: Wenn also ein Inter­net­zu­gangs­kun­de, der sei­nen DSL-Zugang ver­wen­det um z.B. selbst instal­lier­tes Sky­pe über „sei­nen“ Inter­net­zu­gangs­dienst zu nut­zen, wäre der Zugangs­dienst­an­bie­ter nun­mehr ver­pflich­tet, ggfs. auch die­se Daten und eben nicht nur die Daten einer Anmel­dung sei­nes Kun­den am Inter­net­zu­gang zu spei­chern, weil er selbst ja gera­de nicht „alle der nach Maß­ga­be der §§ 113 b bis 113 g zu spei­chern­den Daten selbst erzeugt oder ver­ar­bei­tet“, aber eben doch eini­ge der zu spei­chern­den Daten „ver­ar­bei­tet“ – indem er näm­lich die IP-Pake­te mit dem VoIP-Call zu den Ser­vern von Sky­pe wei­ter­lei­tet. Da er – anders als Sky­pe – selbst jedoch nicht über alle eigent­lich zu spei­chern­den Infor­ma­tio­nen nach §113 b Abs. 3 TKG‑E ver­fügt, hät­te er dies­be­züg­lich zusätz­lich (!) noch der BNetzA gem. Abs. 1 Nr. 2 mit­zu­tei­len, dass die wei­te­ren zu der „mit­ge­schnit­te­nen“ Inter­net­pro­to­koll-Adres­se gehö­ren­den Infor­ma­tio­nen beim eigent­li­chen Erbrin­ger des Diens­tes, näm­lich der Fir­ma Sky­pe, abzu­fra­gen sind. Aller­dings wird etwa Sky­pe gar nicht vom TKG ver­pflich­tet, steht jeden­falls nicht auf der ent­spre­chen­den Lis­te der BNetzA und muss sei­ne Daten daher auch künf­tig nicht – anders als der Zugangs­pro­vi­der – weder in Deutsch­land spei­chern, noch zum Abruf den Behör­den zur Ver­fü­gung stellen.

Soll­te also der Inter­net­zu­gangs­pro­vi­der wegen die­ser oder auf­grund ande­rer Kon­stel­la­tio­nen durch die erwei­ter­te For­mu­lie­rung des Gesetz gezwun­gen wer­den „frem­de“ IP-Adres­sen zu pro­to­kol­lie­ren und auf Vor­rat zu spei­chern, bringt ihn das Ver­bot nach Abs. 5 noch in ein wei­te­res Dilem­ma. Wenn das Gegen­teil von „gut gemacht, gut gemeint“ ist, dann hat es Hei­ko Maas mit § 113 b Abs. 5 TKG‑E näm­lich ganz beson­ders gut gemeint:

Auf gar kei­nen Fall gespei­chert (nicht etwa nur nicht beaus­kunf­tet oder ver­wer­tet) dür­fen danach neben den Inhal­ten einer Kom­mu­ni­ka­ti­on aus­drück­lich eben auch „Daten über auf­ge­ru­fe­ne Inter­net­sei­ten und Daten von Diens­ten der elek­tro­ni­schen Post“. Ist jedoch ein Pro­vi­der – aus wel­chen Grün­den auch immer – gezwun­gen, auch Meta­da­ten zu spei­chern, die nicht durch einen von ihm selbst kon­trol­lier­ten Dienst erzeugt wer­den, wird ihm zur Unter­schei­dung, ob ein IP-Paket dem Trans­port etwa von VoIP-Inhal­ten dient (Spei­cher­pflicht) oder aber eine E‑Mail abge­ru­fen wird (Spei­cher­ver­bot), kaum etwas ande­res übrig blei­ben, als den gesam­ten IP-Traf­fic mit Hil­fe von Deep Packet Inspec­tion (DPI) zu über­wa­chen und dabei die Pake­te zu „öff­nen“, um sie zum Zweck der unter­schied­lich ange­ord­ne­ten Spei­che­rung fil­tern zu kön­nen. Denn nur, wenn gleich­zei­tig der Daten­teil und der Hea­der­teil des Daten­pa­ke­tes auf bestimm­te Merk­ma­le wie IP-Tele­fo­nie unter­sucht wer­den, kann der Pro­vi­der in die­sen Fäl­len eine Spei­cher­pflicht aus §113 a Abs. 1 Nr. 1 TKG‑E erfül­len, ohne gegen die Schran­ken des Abs. 5 zu ver­sto­ßen. Im Unter­schied zu klas­si­schen Paket­fil­tern reicht die Über­prü­fung des Hea­der­teils näm­lich nicht für eine Regu­lie­rung und Unter­schei­dung die­ser Daten­strö­me aus, da einem Daten­pa­ket „von außen“, also allein bei Unter­su­chung des IP-Hea­ders, nicht anzu­se­hen ist, ob der Inhalt spei­cher­pflich­tig ist oder im Gegen­teil dem untaug­lich for­mu­lier­ten, aber ein­deu­tig weit gemein­ten Spei­cher­ver­bot unterliegt.

Über den Umweg der VDS wür­de somit also – allen Beteue­run­gen zum Trot­ze – eben nicht nur eine „scho­nen­de“ Spei­che­rung weni­ger Daten auf Vor­rat, son­dern wür­den zudem Inves­ti­tio­nen in eine Infra­struk­tur ange­ord­net, die die Grund­la­gen weit­rei­chen­der Inhalts­kon­trol­le für Zwe­cke der Über­wa­chung des Inter­nets legt. Und das aus­ge­rech­net wegen einer wahr­schein­lich wirk­lich ernst und beson­ders „gut“ gemein­ten Ausnahmeregelung…

Dass sich SPD und CDU/CSU ent­ge­gen die­ses Ergeb­nis­ses eigent­lich ein­mal im Koali­ti­ons­ver­trag aus Sei­te 36 anders fest­ge­legt haben, wäre dann – wie das Ver­spre­chen des Minis­ters – nur noch von his­to­ri­schem Inter­es­se: „Deep Packet Inspec­tion (DPI) zur Dis­kri­mi­nie­rung von Diens­ten oder Über­wa­chung der Nut­ze­rin­nen und Nut­zer wer­den wir […] gesetz­lich untersagen“.

In der Verantwortung: Die Abgeordneten

Soweit sich die Abge­ord­ne­ten der Regie­rungs­ko­ali­ti­on nicht allen Stolz und die letz­ten Res­te der Frei­heit ihres Man­da­tes neh­men las­sen wol­len, wer­den sie im Rah­men der Bera­tun­gen der Fach­aus­schüs­se sol­che Fra­gen in Ruhe zu klä­ren und ande­re hand­werk­li­che Schnit­zer zu besei­ti­gen haben, ins­be­son­de­re um noch für eine deut­lich grö­ße­re Ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Rege­lun­gen zu sor­gen. Das bedeu­tet mei­nes Erach­tens vor allem:

1. Einführung einer Kappungsgrenze

Im Hin­blick auf den viel zu wei­ten Kreis der Ver­pflich­te­ten ist die gebo­te­ne Ver­hält­nis­mä­ßig­keit nicht gegeben.

So stellt das Minis­te­ri­um schon in der Ein­lei­tung des Refe­ren­ten­ent­wurfs fest: „Von den vor­han­de­nen ca. 1.000 Erbrin­gern öffent­lich zugäng­li­cher Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te sind 20 so groß, dass sie 98 Pro­zent des Mark­tes abde­cken, die übri­gen sind klei­ne bis mitt­le­re Unter­neh­men, die sich vor­aus­sicht­lich häu­fig auf eine unbil­li­ge Här­te beru­fen wer­den.“ Den­noch sol­len mehr als 980 wei­te­re Unter­neh­men unter­schieds­los ver­pflich­tet und damit unver­hält­nis­mä­ßig hart betrof­fen wer­den? Die theo­re­ti­sche Mög­lich­keit einer Ent­schä­di­gung, die das Gesetz auch nur aus­nahms­wei­se vor­sieht, ändert an der Unbil­lig­keit nichts! Der Gesetz­ent­wurf soll­te sich daher viel­mehr an den Vor­ga­ben der bestehen­den Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons-Über­wa­chungs­ver­ord­nung (TKÜV) ori­en­tie­ren und zumin­dest eine Baga­tell­re­ge­lung mit der Mar­gi­nal­gren­ze von 10.000 Teil­neh­mern oder sons­ti­ge Nut­zungs­be­rech­tig­te vor­ge­se­hen wer­den (§ 3 Abs. 2 Nr. 5 TKÜV). Ins­be­son­de­re, da es sich bei den 98% aus­weis­lich der Lis­te der Bun­des­netz­agen­tur, die die zur Anmel­dung ver­pflich­te­ten Unter­neh­men auf­zählt, viel­fach um klei­ne und kleins­te Unter­neh­men, Ein­zel­kauf­leu­te und Ver­ei­ne han­delt. Alter­na­tiv zu die­ser Mar­gi­nal­gren­ze könn­ten auch Aus­nah­me­mög­lich­kei­ten durch Anord­nung der BNetzA etwa nach aus­tra­li­schem Vor­bild erwo­gen werden.

Die Unver­hält­nis­mä­ßig­keit schlägt sich im Übri­gen nicht nur hin­sicht­lich der Inves­ti­ti­ons­kos­ten für das gefor­der­te, zusätz­li­che „VDS-Daten­si­lo“ nie­der, son­dern bei klei­ne­ren Unter­neh­men auch im Zwang zur Beschäf­ti­gung von min­des­tens zwei beson­ders qua­li­fi­zier­ten Per­so­nen zur Gewähr­leis­tung des Vier-Augen-Prin­zips nach § 113 c TKG‑E. Dies ver­ur­sacht für die vie­len Kleinst-Unter­neh­men unter den 98%, bei denen schon die Inves­ti­tio­nen in die Tech­nik eine unbil­li­ge Här­te dar­stel­len, durch nichts zu recht­fer­ti­gen­de wei­te­re lau­fen­de Kos­ten, denn ein dem Auf­wand ent­spre­chen­des Abfra­ge­vo­lu­men durch die Behör­den dürf­te auf­grund des gerin­gen Markt­an­teils sol­cher Klein­un­ter­neh­men nicht zu erwar­ten sein, eine sons­ti­ge Mög­lich­keit einer Beschäf­ti­gung des gefor­der­ten beson­ders qua­li­fi­zier­ten Per­so­nals aber gera­de bei klei­ne­ren Unter­neh­men, Ein­zel­kauf­leu­ten oder Ver­ei­nen nicht gege­ben sein.

2. Keine Doppelverpflichtungen zur Speicherung

Der Gesetz­ent­wurf ver­ord­net – anders als sein Titel sug­ge­riert – kei­ne Höchst­frist für die Spei­che­rung von Daten, son­dern regelt viel­mehr eine Min­dest­spei­cher­frist von vier bzw. zehn Wochen für sol­che Daten, die nicht schon aus betrieb­li­chen Grün­den und zu Abrech­nungs­zwe­cken vom Pro­vi­der gespei­chert wer­den (müs­sen). Selbst, wenn also bereits viel mehr und län­ger zu spei­chern­de Infor­ma­tio­nen beim betrof­fe­nen Unter­neh­men im In- oder Aus­land gespei­chert vor­han­den sein soll­ten (also die Daten, die aus betrieb­li­chen Grün­den oder auf­grund ande­rer gesetz­li­cher Vor­ga­ben sowie­so gespei­chert wur­den, sog.“Geschäftsdaten“), wird der Betrei­ber gezwun­gen, ein zwei­tes (!) „Daten­si­lo“ im Inland zu errich­ten und mit (iden­ti­schen oder ggfs. redu­zier­ten) Kopien der ansons­ten glei­chen Daten zusätz­lich (!) zu befül­len. Die bis­he­ri­ge Pflicht zur Spei­che­rung die­ser Daten bleibt also neben der wei­te­ren Spei­cher­pflicht unver­än­dert bestehen und auch die Ermitt­lungs­be­hör­den kön­nen im glei­chen Aus­maß wie bis­lang und ohne (!) neue Hür­den, also etwa auch noch nach Ablauf von 10 Wochen, auf sol­che zusätz­li­chen Infor­ma­tio­nen zugrei­fen. Jeden­falls soweit iden­ti­sche Geschäfts­da­ten, etwa für Abrech­nungs­zwe­cke, nach § 97 TKG bereits gespei­chert wer­den, ver­stößt dies Modell dop­pel­ter „Daten­si­los“ somit gegen das Gebot der Daten­spar­sam­keit. Zugleich ist die Spei­cher­ver­pflich­tung nach § 113 d Abs. 2 TKG‑E gera­de sol­cher “Geschäfts­da­ten“, die auch wei­ter­hin aus betrieb­li­chen Grün­den gespei­chert wer­den müs­sen, in zusätz­li­che, „geson­der­ten, von den für die übli­chen betrieb­li­chen Auf­ga­ben getrenn­ten Spei­cher­ein­rich­tun­gen“, unver­hält­nis­mä­ßig und steht im Wider­spruch zur Annah­me, dass „Unter­neh­men teil­wei­se auf die bereits getä­tig­ten Inves­ti­tio­nen zurück­grei­fen kön­nen“ (S. 3 des Ent­wurfs). Rück­griffs­mög­lich­kei­ten auf bestehen­de Inves­ti­tio­nen sind nach vie­len Jah­ren der Auf­he­bung der alten VDS in Wahr­heit mar­gi­nal, zudem erfor­dert die Erfül­lung der geplan­ten Rege­lun­gen ganz neu­en und tech­nisch ande­ren Aufwand.

Eben­falls rele­vant in die­sem Zusam­men­hang ist, dass § 113 b Abs. 2 Nr. 5 nun auch die Ver­pflich­tung zur Spei­che­rung von IP Adres­sen bei Inter­net­te­le­fo­nie vor­sieht. Dass aus­ge­rech­net VoIP-Anbie­ter wie Sky­pe & Co. jedoch nicht zum Kreis der Ver­pflich­te­ten zäh­len sol­len, aller­höchs­tens die Trans­por­teu­re ihrer Daten zur Spei­che­rung ver­pflich­tet sein könn­ten (s.o.), dürf­te zu erheb­li­chen Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen füh­ren und pro­gram­miert gera­de­zu bal­di­ge Nach­for­de­run­gen der Ermitt­lungs­be­hör­den, weil vie­le Kri­mi­nel­le, aber eben auch um ihre Pri­vat­sphä­re besorg­te Bür­ger, in die­sen „siche­ren Hafen“ aus­wei­chen werden.

3. Herausnahme von Wholesale-Angeboten

Pro­ble­ma­tisch ist zudem die Dop­pel­ver­pflich­tung zur Spei­che­rung im Bezug aus Wholesale-Angebote.

Da § 113 a und b Abs. 2 TKG‑E des Ent­wurfs die „Erbrin­ger öffent­lich zugäng­li­cher Tele­fon­diens­te“ pau­schal ver­pflich­tet wer­den, sind einer­seits die­je­ni­gen zur Spei­che­rung ver­pflich­tet, die über die jewei­li­ge Bezie­hung zum End­kun­den ver­fü­gen, als auch zusätz­lich noch die­je­ni­gen Anbie­ter, die z.B. ledig­lich Tran­sit­leis­tun­gen für genau die­sel­ben Tele­fo­na­te erbrin­gen. Auch die Vor­ga­ben des § 113 a Abs. 1 Satz 2 TKG‑E sehen ledig­lich geson­der­te Ver­pflich­tun­gen für die­je­ni­gen Diens­te­an­bie­ter vor, die die zu spei­chern­den Daten nicht alle selbst erzeu­gen oder verarbeiten.

Soweit die­se Rege­lung ledig­lich auf eine mög­li­che Umge­hung der Spei­cher­ver­pflich­tung bei Resa­le-Nach­fra­gern abzielt und nicht auf die Anbie­ter von Vor­leis­tungs­pro­duk­ten, bedarf es hier drin­gend einer Klar­stel­lung (s.o.). Wesent­lich für eine Pflicht zur Spei­che­rung und Aus­kunft muss – wie in der alten Fas­sung der VDS – stets eine End­kun­den­be­zie­hung sein. Fehlt es dar­an, ist die Spei­che­rung über­flüs­sig, weil auch die mög­li­chen Aus­künf­te fak­tisch wert­los sind. Um ent­spre­chend über­flüs­si­ge und somit unver­hält­nis­mä­ßi­ge Dop­pel­spei­che­run­gen zu ver­mei­den, soll­te in den § 113 a und ggf. b TKG‑E zur Klar­stel­lung ein­ge­fügt wer­den: „Erbrin­ger öffent­lich zugäng­li­cher Tele­fon­diens­te für Endkunden“

4. Keine Verpflichtung zur doppelten Datenspeicherung im Inland

Nach § 113 b Abs. 1 TKG‑E sind die Daten im Inland zu spei­chern. Die Begrün­dung fin­det sich auf S. 43 des Entwurfs:

„Abwei­chend von § 113a TKG a. F. sind die Daten aus­schließ­lich im Inland zu spei­chern; eine Erfül­lung der Spei­cher­pflicht durch die Spei­che­rung in einem ande­ren Mit­glied­staat der Euro­päi­schen Uni­on ist nicht mehr vor­ge­se­hen. Die Beschrän­kung der Spei­che­rung der Vor­rats­da­ten auf das Inland ist eine Beschrän­kung der Dienst­leis­tungs­frei­heit im Sin­ne von Arti­kel 56 AEUV.

Eine sol­che [Beschrän­kung] lässt sich recht­fer­ti­gen, wenn sie not­wen­dig ist, um zwin­gen­den Grün­den des All­ge­mein­in­ter­es­ses gerecht zu wer­den und wenn sie zudem ver­hält­nis­mä­ßig ist.[…] Bei einer Spei­che­rung im euro­päi­schen Aus­land könn­te nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass ent­ge­gen der stren­gen Ver­wen­dungs­be­schrän­kung in § 113c TKG‑E der aus­län­di­sche Staat nach Maß­ga­be sei­nes (inner­staat­li­chen) Rechts Zugriff auf die auf sei­nem Hoheits­ge­biet gespei­cher­ten Daten nimmt, was ange­sichts jün­ge­rer Erfah­run­gen nicht als nur theo­re­ti­sche Gefahr erscheint.“

Das ist gleich in meh­rer­lei Hin­sicht Unsinn: In vie­len Sek­to­ren bedie­nen sich (Geschäfts-) Kun­den bewusst der Diens­te inter­na­tio­na­ler Unter­neh­men, weil sie an ihrem aus­län­di­schen Haupt­quar­tier mehr Nähe zu ihrem Dienst­leis­ter haben. Wor­in sich ihre beson­de­re Schutz­wür­dig­keit oder gar Inter­es­se einer Spei­che­rung ihrer Daten in Deutsch­land erge­ben soll, ist nicht nachvollziehbar.

Im grenz­über­schrei­ten­den Ver­kehr ver­mag eine zusätz­li­che (!) Spei­cher­pflicht von VDS-Daten im Inland, die zugleich als Geschäfts­da­ten im Aus­land in unter Umstän­den viel grö­ße­rem Aus­maß (auf Kun­den­wunsch, wegen betrieb­li­cher Not­wen­dig­keit oder auf­grund eines ande­ren Geset­zes) eben­falls gespei­chert sind, im glei­chen Aus­maß wie bis­lang, jeden­falls nicht dem „All­ge­mein­in­ter­es­se“ die­nen. Denn, wenn das Risi­ko für die glei­chen Daten, die wegen woan­ders gel­ten­der natio­na­ler Rege­lun­gen nicht im euro­päi­schen Aus­land gespei­chert wer­den, angeb­lich so hoch ist, wie der Ent­wurf unter­stellt und „nicht als nur theo­re­ti­sche Gefahr erscheint“, dann wäre es schlicht zu wenig, wenn nur eine redu­zier­te Kopie nach Deutsch­land „heim­ge­holt“ wird.

Der tat­säch­li­che Nut­zen die­ser Rege­lung ist also Null, der Scha­den aber enorm: Euro­päi­sche Wett­be­werbs­un­ter­neh­men wer­den erheb­lich in der Aus­übung ihrer unter­neh­me­ri­schen Tätig­keit beschränkt und damit ent­ge­gen der Rege­lun­gen zum Bin­nen­markt der EU Nach­tei­le gegen­über Unter­neh­men mit Haupt­sitz in Deutsch­land erlei­den – ohne, dass dem aber irgend­ein nach­voll­zieh­ba­rer Nut­zen für den Bür­ger in Deutsch­land ent­ge­gen stünde.

Die­se Rege­lung ist, wie lei­der ande­re im Gesetz auch, schlicht popu­lis­ti­scher Unsinn, der ledig­lich sym­bo­lisch gemeint ist, aber lei­der real scha­det. Soweit die Bun­des­re­gie­rung wirk­lich Beden­ken mit Blick auf ein unter­schied­li­ches Daten­schutz­ni­veau in den jewei­li­gen Mit­glieds­staa­ten umtreibt, hat sie dem im Rah­men der Neu­re­ge­lung der Daten­schutz­grund­ver­ord­nung poli­tisch und recht­lich zu begeg­nen und zugleich auch hier­zu­lan­de die (lega­len, ille­ga­len oder halb­le­ga­len) Akti­vi­tä­ten von Geheim­diens­ten ein­zu­he­gen. Die­se Pro­ble­me wer­den im grenz­über­schrei­ten­den Fluss von Daten nicht durch die hier offen­sicht­lich gewoll­te Re-Natio­na­li­sie­rung von Infra­struk­tu­ren gelöst wer­den kön­nen, ohne einem frei­en Inter­net und der euro­päi­schen Idee nach­hal­ti­gen Scha­den zuzufügen.

5. Verlängerung der Übergangsregelung

Die Umset­zungs­frist ist zu kurz bemes­sen (§ 150 Abs. 13 § 12 StPO, S. 16 und 50 des Gesetzentwurfs).

Zwar sol­len den Ver­pflich­te­ten TK-Dienst­leis­tern offi­zi­ell 18 Mona­te zur Ver­fü­gung ste­hen – de-fac­to sind es jedoch nur sechs Mona­te, da erst nach 12 Mona­ten der Anfor­de­rungs­ka­ta­log der BNetzA zur Ver­fü­gung gestellt wer­den muss, auf des­sen Grund­la­ge die Anbie­ter die Umset­zung des Geset­zes in der Pra­xis über­haupt erst wer­den vor­neh­men kön­nen. Auf­grund des erheb­li­chen Auf­wands, den die­ses Gesetz für tau­sen­de Unter­neh­men aus­löst, muss die Über­gangs­frist wenigs­tens auf 18 Mona­te nach Erge­hen des Anfor­de­rungs­ka­ta­logs ver­län­gert werden.

Eine Rege­lung, wann die Ände­rung des JVEG für Ent­schä­di­gun­gen bei Aus­kunfts­er­su­chen in Kraft tre­ten soll, fehlt im Übrigen.

6. Umsetzungsdefizite zum Urteil des BVerfG beheben

In § 113 b Abs. 6 TKG‑E sind Aus­nah­men der Spei­cher­pflicht nach § 99 Abs. 2 TKG vor­ge­se­hen. Damit sind Berufs­ge­heim­nis­trä­ger wie Anwäl­te, Ärz­te etc. , anders als z.B. die Tele­fon­seel­sor­ge, nicht erfasst. Sie wären es auch dann nicht, wenn sie ihre Anschlüs­se als sol­che (frei­wil­lig) kennt­lich machen wür­den. Ein sach­li­cher Grund für die­se man­geln­de Pri­vi­le­gie­rung von Berufs­ge­heim­nis­trä­gern ist jedoch nicht ersicht­lich, ins­be­son­de­re da ihre anlass­los gespei­cher­ten Daten grund­sätz­lich sowie­so nicht ver­wert­bar sein sollen.

§ 113 c TKG‑E regelt die Ver­wen­dung der Daten. Es fehlt jedoch die vom BVerfG gefor­der­te kla­re Begren­zung der Auskunftspflicht.

§ 113 d‑g TKG‑E trifft Bestim­mun­gen zum Sicher­heits­kon­zept der VDS. Es fehlt jedoch eine Rege­lung zur Daten­si­cher­heit des Abruf­ver­fah­rens, zudem dürf­ten tech­nisch „beson­ders siche­re Ver­schlüs­se­lungs­ver­fah­ren“ beim Abruf ange­sichts der Viel­zahl der Abfra­ge­be­rech­tig­ten schwer durch­setz­bar sein. Das BVerfG hat zudem die Ein­zel­ent­schlüs­se­lung der Daten gefor­dert, was nicht gere­gelt wird und gera­de bei der Funk­ze­l­len­ab­fra­ge auch schwer erfüll­bar sein dürfte.

7. § 202 d StGB‑E – Datenhehlerei überarbeiten oder besser ganz streichen

Die Vor­schrif­ten zur Daten­heh­le­rei, die im Hucke­pack mit die­sem Gesetz ver­ab­schie­det wer­den sol­len, ohne Bezug zur VDS zu haben, ver­die­nen eigent­lich eine sehr viel län­ge­re Wür­di­gung, als an die­ser Stel­le möglich.

Da sie gegen Fäl­le wie z.B. den Miss­brauch von Daten ehe­ma­li­ger Mit­ar­bei­ter eines Unter­neh­mens gar nicht ein­schlä­gig sind, dürf­ten sie im wesent­li­chen näm­lich vor allem dazu füh­ren, dass Platt­for­men wie Wiki­leaks auch in Deutsch­land kri­mi­na­li­siert wür­den. Denn: Aus­schließ­lich sol­che Per­so­nen, die „berufs­mä­ßig“ publi­zis­tisch tätig sind und Infor­ma­tio­nen auch nur in die­sem Rah­men wei­ter­ge­ben, könn­ten sich wei­ter­hin auf das Pres­se­pri­vi­leg beru­fen. Akti­vis­ten, egal mit wel­cher Inten­ti­on, dage­gen aller Vor­aus­sicht nach eben nicht.
Beson­ders mit Blick auf das sub­jek­ti­ve Merk­mal einer „Schä­di­gungs­ab­sicht“ wür­de damit ein wei­te­rer „Gum­mi­pa­ra­graph“ ein­ge­führt, der es der Ent­schei­dung und damit ggfs. eben auch der Will­kür eines Staats­an­wal­tes über­lässt, ob er gegen heik­le Infor­ma­ti­ons­ver­brei­tun­gen vor­ge­hen will oder nicht.

Die­se Lis­te drin­gend über­ar­bei­tungs­wür­di­ger Geset­zes­tei­le ist sicher­lich nicht abschlie­ßend, denn nach jedem erneu­ten Durch­le­sen und nach jedem fach­li­chen Gespräch fal­len mir vie­le wei­te­re Punk­te auf, die, wenn sie schon viel­leicht kei­ne Ableh­nung des Geset­zes­vor­ha­bens ins­ge­samt, so doch wenigs­tens die Not­wen­dig­keit einer gründ­li­chen Über­ar­bei­tung nahelegen.

Die Ver­ant­wor­tung für das per­sön­li­che Anse­hen von Hei­ko Maas in der Öffent­lich­keit wird man ihm selbst und Sig­mar Gabri­el, der die­sen Gesichts­ver­lust ver­ur­sacht hat, nicht abneh­men kön­nen. Dar­an könn­te auch ein wei­te­res „Durch­peit­schen“ die­ses viel­leicht wirk­lich rund­um gut gemein­ten, aber ins­ge­samt doch ver­un­glück­ten Gesetz­ent­wur­fes durch das Par­la­ment nichts ändern. Vor­ran­gi­ge Auf­ga­be der Abge­ord­ne­ten des Deut­schen Bun­des­ta­ges – in die­ser Situa­ti­on beson­ders der­je­ni­gen der SPD – ist es m.E. jedoch, die Frei­heit ihres Man­da­tes im Inter­es­se unse­res Lan­des und sei­ner Bevöl­ke­rung dafür zu nüt­zen, ihrer gesetz­ge­be­ri­schen Ver­ant­wor­tung gerecht zu werden.

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Update 10.06.2015: Der Ver­band der deut­schen Inter­net­wirt­schaft ECO schließt sich mei­ner Ana­ly­se an und hat eini­ge sehr aus­führ­li­che und zutref­fen­de Papie­re ins Netz gestellt. Auch wenn die Antrags­kom­mis­si­on für den SPD-Kon­vent die Ableh­nung der Anträ­ge der Basis gegen die VDS emp­fiehlt und damit schon das lei­der zu erwar­ten­de Ergeb­nis der Bera­tun­gen vor­weg­nimmt, ist erfreu­lich, dass die SPD-Frak­ti­on zumin­dest durch­ge­setzt hat, dass das Gesetz nicht wie geplant im Eil­ver­fah­ren durchs Par­la­ment gepeitscht wird, son­dern eine ordent­li­che par­la­men­ta­ri­sche Bera­tung bis in den Herbst hin­ein statt­fin­den kann. Das eröff­net zumin­dest die Chan­ce auf Ver­bes­se­run­gen im Detail.