Wie leider nicht anders erwartet, ergeben sich nicht nur durch missglückte Gesetze wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (#NetzDG) Friktionen mit der bislang durch Art. 5 GG und einer Vielzahl von Gesetzen und Richterrecht in Deutschland umfassend geschützten Presse- und Meinungsfreiheit:
Der Vorrang der EU – Datenschutzgrundverordnung (#DSGVO) ab dem 25. Mai 2018 verschärft die rechtlichen Probleme auch für all jene „klassischen“ Teilnehmer am „öffentlichen Meinungskampf“, die sicherlich mit einem professionellen Anspruch, aber eben nicht wie Presse oder Rundfunk und auch nicht presseähnlich oder im engeren Sinne „journalistisch“ (wie die sog. „Unternehmespresse“) mit der Öffentlichkeit in Dialog treten. Das dürfte die meisten Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter in Agenturen, Unternehmen, Kanzleien, aber auch in NGOs oder in den Pressestellen von Behörden treffen.
Da die #DSGVO selbst diesbezüglich keine Bereichsausnahme oder spezielle Eingrenzungen mit Blick auf die Presse- und Meinungsfreiheit kennt, sondern die Lösung der Kollisionen mit Hilfe des Art. 85 DSGVO auf die Mitgliedsstaaten delegiert, ist jetzt der Gesetzgeber in Deutschland auf Ebene von Bund und Ländern gefordert, für die notwendige Rechtssicherheit zu sorgen. Dabei kann es politisch nicht allein um die Erhaltung der Pressefreiheit im bisherigen Bestand gehen, sondern es sollten dringend auch die weiteren heute üblichen und legitimen Formen von Öffentlichkeitsarbeit in ihrer gesamten Breite gesichert werden.
Dem wird der Gesetzgeber in Deutschland bislang jedoch nicht gerecht. So berücksichtigen auch die im Moment in den Landesparlamenten diskutierten Anpassungsgesetze durchgängig nur den Bereich der „Medien“ im weiteren Sinne, was ich auch schon im Rahmen der Anhörung zum 21. RÄStV im Landtag des Freistaates Sachsen bemängelt habe (Stellungnahme hier abrufbar: doc05579620180227123641).
Schon durch den ersatzlosen Wegfall der bisherigen Ausnahmeregelungen der Verarbeitung von Daten aus öffentlichen Quellen (§14 Abs. 2 Nr. 5 und §28 Ans. 1 Nr. 3 BDSG), der Verdrängung des Kunsturhebergesetzes (KUG), das nicht mehr allgemeines „lex specialis“ i.S.d. § 1 Abs. 3 BDSG sein kann und dem weitgehenden Fehlen ausdrücklicher gesetzlicher Grundlagen für viele Aspekte behördlicher Pressearbeit, kann ein gesetzgeberisches Unterlassen nach dem 25. Mai 2018 für die Praxis moderner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zum Problem werden. Denn natürlich werden heute zahlreiche öffentlich verfügbaren Informationen digital ausgewertet und zu Zwecken der eigenen Informationsarbeit gespeichert, verarbeitet und verwendet. Im Behördenbereich könnte dafür künftig wegen der „Wesentlichkeitstheorie“ eine gesetzliche Befugnis mit Blick auf den Datenschutz nötig werden und die „Informationsaufgabe“, von der das BVerfG bisher ausgeht, als „Befugnisnorm“ unzureichend sein.
Leider ist es den politisch Verantwortlichen im Rahmen der Koalitionsverhandlungen nicht gelungen, den noch im Entwurfstext zunächst enthaltenen Arbeitsauftrag an die Bundesregierung, umfassendere Anpassungen entsprechend § 85 DSGVO zu prüfen, bis in die Schlussversion des Koalitionsvertrages zu tragen. Umso wichtiger werden damit bis zum 25. Mai 2018 die anstehenden legislativen Arbeiten zur Umsetzung der #DSGVO, insbesondere die Anpassungsgesetze der Länder. Die Hoffnung, dass sich alle Aspekte moderner Öffentlichkeitsarbeit unter „Journalismus“ oder den §3 BSDGneu subsumieren ließen oder die Datenschutzaufsichtsbehörden bei Einhaltung selbst erstellter Richtlinien einfach nur auf Sanktionen verzichten, vermag jedenfalls nach meiner Auffassung die eigentlich notwendige Rechtssicherheit nicht zu ersetzen.
Für den Praktiker und juristischen Laien gibt es heute leider noch nicht viele geeignete (und inhaltlich zutreffende) Darstellungen der konkreten Probleme. Vieles ist leider „marketinggetrieben“ und beschreibt die Rechtsfragen, die die #DSGVO aufwirft, nur insoweit, als etwa die angepriesene Softwarelösung sie überhaupt zu lösen vermag… Zum Thema Fotografie möchte ich hier aber gern auf die gelungen Darstellungen bei den Kollegen von „Nordbild“ und „Fotorecht Seiler“ hinweisen.
Bei vielen anderen (an sich zutreffenden) Darstellungen (wie etwa hier beim DJV) wird leider der (betroffene) nicht-journalistische mit dem (nicht betroffenen) journalistischen Bereich vermengt. Um den Bereich, der auch zukünftig vom sog. „Medienprivileg“ umfasst sein wird, mache auch ich mir jedoch rechtlich keine ernstlichen Gedanken. Der Gesetzgeber und die Betroffenen – vielleicht wegen dieser Verwechslung – jedoch bislang leider aber auch (noch) zu wenige, weswegen ich dringend allen Kommunikationsverantwortlichen in Unternehmen, Parteien, Verbänden, Organisationen usw., die regelmäßig weder (Unternehmens-) Presse sind, noch presseähnlich arbeiten, dazu raten möchte, das Problem spätestens jetzt anzugehen und auch den Gesetzgeber in die Pflicht zu nehmen, bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen und noch rechtzeitig vor dem 25. Mai 2018 tätig zu werden.
Update 6.3.2018: Der Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) fordert den Gesetzgeber dringend auf tätig zu werden, um Rechtssicherheit herzustellen. Im Rahmen einer Veranstaltung der Fachgruppe des BdP hatte ich zudem einen Vortrag gehalten, der ebenfalls jetzt abrufbar ist:
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